Freitag, 15. Juli 2016

Lieber auf Bullen als in die Tasten hauen!

Eigentlich mag ich das ja, wenn man mir zu denken gibt. Von unserem Justizminister Heiko Maas allerdings möchte ich mir lieber gar nichts geben lassen. Er ist der falsche Mann auf einem für den Rechtsfrieden nicht ganz unwichtigen Posten.

Nach einem bundesweiten Einsatz der Ermittlungsbehörden, in dem nach den Urhebern von „Hasskriminalität im Netz“ gefahndet wurde, worunter die „Verherrlichung des Nationalsozialismus sowie der Austausch von fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonstigen als rechtsextremistisch zu beurteilenden Inhalten und Kommentierungen“ zu verstehen sei, ließ er sein Ministerium verlauten: „Das entschlossene Vorgehen der Ermittlungsbehörden sollte jedem zu denken geben, bevor er bei Facebook in die Tasten haut.“ „Der bundesweite Einsatztag dient auch der Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger beim Umgang mit rechtsgerichteten Äußerungen in sozialen Netzwerken.“ Für alle, die es immer noch nicht verstanden haben, assistiert der „Spiegel“: „Die offensiv kommunizierten Razzien sind ein Warnschuss, eine Art erzieherische Maßnahme mit verschärften Mitteln.

Nun geht es bei einer Durchsuchung nicht um Sensibilisierung und schon gar nicht um Erziehung, sondern um das Sichern von Beweismitteln, belastende und entlastende. Sie ist auch nicht als Strafe gedacht, die überlässt man hierzulande normalerweise dem rechtsstaatlichen Procedere. Ein Justizminister müsste das eigentlich wissen.

Doch es geht ja „gegen rechts“, und da sagen selbst normalerweise abgeklärte Menschen schon mal „Dankeschön, liebe Antifa“. Deren Hasspropaganda mitsamt den entsprechenden Aktionen lockt keinen Groko-Minister hinter dem Schreibtisch hervor, auch wenn sie sich gegen staatliche Organe wie die Polizei richtet: „Es soll angeblich 123 verletzte Schweine geben“, bilanzieren die Brandbeschleuniger von der Berliner Rigastraße. (...) Mögen es beim nächsten Mal 234 verletzte Schweine sein!" „Einen solchen Gewaltausbruch der Schweine haben wir so in den letzten Jahren in Berlin nicht erlebt. In dem Moment haben wir uns wirklich Heckenschützen auf den Dächern gewünscht, welche uns vor dem Gewaltausbruch der Schweine hätten retten können.“ 

 Ja, wenn die Jungs statt dessen in die Tasten gehauen hätten!

Dass sich der Kampf gegen die „Schweine“ an der Umwidmung eines besetzten Hauses zur Flüchtlingsunterkunft entzündete, ist eine kleine Pikanterie am Rande. Ebenfalls nur nebenbei: gilt der Antisemitismus im Ministerium als eine biodeutsche Spezialität im rechten Lager? Bekanntlich wird er auch im muslimischen Dunstkreis gepflegt. Das zu behaupten wäre aber wahrscheinlich fremdenfeindlich, also lieber nicht dran rühren. Der Feind steht nunmal „rechts“. Wenn man ihn dort nicht in ausreichendem Ausmaß vorfindet, hat man eben nicht intensiv genug nach ihm gesucht.

Das soll sich ja nun ändern. In den sozialen Netzen gehen erfahrene Kader auf die Jagd, um den Gegner zu entlarven, zu überführen, zu „stellen“. Die einschlägig qualifizierte Amadeu Antonio Stiftung unter Anetta Kahane gibt in einer vom Familienministerium geförderten Broschüre Tips, wie man sie entdeckt, die rassistischen Hetzer, die sich hinter bürgerlicher Fassade verstecken. Die Grundannahme dabei: „dass sich die Hetze zwangsläufig in reale Gewalt gegen Menschen übersetzt“ – klar: niemand soll sich hinter Meinungsfreiheit verstecken dürfen. Wer es sagt, der isses schon, haben wir das als Kinder genannt.

Für Ungeübte in „Entlarven“ und „Stellen“ wird klargestellt, woran man rassistische Hetze erkennt: etwa, wenn von „wir“ und „die“ gesprochen wird oder wenn „abwertende Bezeichnungen wie Wirtschaftsflüchtling“ benutzt werden. Rassistische Hetze tarne sich oft auch als Satire. Ganz schlimm seien überdies „rechtsextreme, weibliche Nutzerinnen, die über Themen wie Kindererziehung, Familie und Sexualitätsvorstellungen sprechen und andere Frauen so in rechte bis rechtsextreme Strukturen bringen.“

Klar! Wer über solche Themen auch nur spricht, vertritt ein reaktionäres Frauenbild und muss gemeldet werden.

Man würde so gern darüber lachen, wenn es nicht einige bitter ernst mit der Schnüffelei meinten. Das sind die, die den verdächtigen Täterkreis maasmäßig erweitern möchten: ums Bürgertum, dem eine „Rechtsdrift“ attestiert wird oder um Menschen, die „betont katholisch“ sind und die auf Kritik nicht umgehend mit „Mäßigung“ reagieren. Die Denunziantinnen und Hilfssheriffs durchforsten Facebook und Twitter und untersuchen nicht nur die Tweets, sondern auch die Likes des Gegners auf verdächtige Nähe zu allem, was sie für rechts halten – und wenn sie was gefunden haben, machen sie quietschefröhlich Meldung.

Ein Like unter dem „falschen“ Post? Schon bist du ein Hetzer. Eine ironische Äußerung, ein Witz, Satire? Getarnter Rassismus. Ein deplaziertes Smiley? Kann den Job kosten. Ein kritischer Satz über die Flüchtlingspolitik der Regierung? Schon hast du „mitgestochen“ – bei Henriette Reker in Köln oder beim eritreischen Flüchtling in Dresden. (Das war dann zwar doch nicht Pegida, sondern ein Landsmann, aber die Tat wäre dem „Pöbel“ doch durchaus zuzutrauen gewesen, oder?)

Wer die DDR erlebt hat, fühlt sich an alte Zeiten erinnert und ist dabei nicht gerade nostalgisch.

Was ist passiert? Seit wann ist Kritik „Hetze“, seit wann sind ausgerechnet die Linken regierungsfromm (es sei denn, sie treffen in Berlin auf „Schweine“), seit wann müssen Deutsche per Kampagne vor „Rechts“ gewarnt werden? Seit es die AfD gibt, die, sofern sie sich nicht selbst zerlegt, ein Problem für die Konsensdemokratie werden könnte? „Die AfD ist zu einer ernsthaften Gefahr geworden, für all jene, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen“, heißt es beim Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“, das „Stammtischkämpferinnen“ für den aktiven Widerstand ausbilden will – gegen alle, nehmen wir mal an, die nicht ins dort gepflegte Weltbild passen.

Oder seit mehr und mehr Bürgern klar wird, dass sie es in diesem Land mit massivem Staatsversagen zu tun haben, eine Einsicht, von der man sie gerne ablenken möchte?

In einer jüngst veröffentlichten Studie im Auftrag des Versicherungskonzerns R+V heißt es, dass beinahe drei Viertel der Befragten bezweifeln, dass der Staat seiner Aufgabe noch gerecht wird, ihre Sicherheit zu gewährleisten – bei Terrorismus, politischem Extremismus und bei der Bewältigung der „Flüchtlingskrise“.

Der wissenschaftliche Begleiter der Studie, der Politologe Manfred Schmidt, kommentiert: „Als ich begann, diese Studie zu begleiten, ging ich zunächst davon aus, dass sich das Volk treiben lässt, von dem was Politik und Medien sagen. Aber die Bevölkerung bildet sich bei kritischen Themen offenbar selbst ein Urteil.“

Das ist natürlich ein echtes Problem. Wehret den Anfängen! 

Zuerst auf: wiwo online, 19. Juli 2016



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