Weil schon genug gelabert wird? Weil man nicht jeden Medienblödsinn mitmachen muss? Oder - fällt ihm tatsächlich nichts ein?
Unglaubhaft. Dennoch hier ein Vorschlag, zur Verwendung freigegeben:
Liebes Publikum, liebe Empörte, Entrechte, Beleidigte und Erniedrigte, liebe junge, aber auch liebe alte Menschen,
es tut mir sehr leid, dass mich Frau Himmelreich offenbar missverstanden hat. Ich habe mich an diesem netten Abend in der Hotelbar durch ihren launigen Hinweis auf mein Alter zugegebenermaßen ein Stück weit diskriminiert gefühlt. Nun ist es jedoch nicht meine Art, daraufhin grob oder unhöflich zu werden.
Der altväterliche Handkuss und der Wink mit meiner Tanzkarte hatten, dachte ich, in aller Freundlichkeit gezeigt, dass ich ihre Bemerkung ein ganz klein wenig unangemessen fand.
Schade. Frau Himmelreich hat den Witz nicht verstanden. Das ist traurig. Noch trauriger ist höchstens, dass Frau Himmelreichs Vorgesetzte in der Chefredaktion auf Kosten dieser netten jungen Frau noch kurz vor ihrem Abgang einen Coup landen wollten, den der Nachfolger jetzt ausbaden darf.
Ich schlage als nächsten “Aufschrei” vor: Wir sind über 60, stolz drauf, zeigen es auch, und haben die Nase voll! Wir lassen uns nicht mehr diskriminieren!
Jung sein ist zweifellos prima. Aber es gibt sich ganz von allein.
Montag, 28. Januar 2013
Sonntag, 27. Januar 2013
Arme Opfer
Was ist eigentlich peinlicher: betüddelte alte Dödel, die sich an junge hübsche Dinger ranwanzen? Oder all die jungen hübschen Dinger, die so tun, als ob sie sich gegen plumpe Anmache betüddelter alter Dödel nur mit massenhaftem öffentlichen Aufschrei wehren könnten? Wenn schon ein wenig gelungener Auftritt eines offenbar nicht mehr ganz nüchternen Politikers in einer Bar zur späten Stunde alle weibliche Welt über „Sexismus“ wehklagen lässt, dann frag ich mich, wie wir künftig Verhalten nennen wollen, das wirklich sexistisch ist. Weil es handgreiflich und gewalttätig Frauen ihrer Freiheit und ihrer körperlichen Unversehrtheit beraubt. Und nicht nur unangenehm ist wie ein Handkuss (Brüderle) oder eine Hand auf dem Oberschenkel (der Fahrlehrer) oder eine Anzüglichkeit, für die der Kerl ein deutliches Wort oder zur Not auch eine Ohrfeige verdient, aber doch bitte keinen landesweiten Aufstand der entrechteten und entehrten Frauen der Republik. Herrscht hier schon der Taliban? Also!
Kann man euch etwa nicht mehr allein in die Kneipe gehen lassen? Oder in die Hotelbar? Oder an andere Orte, wo sich Männer aufhalten könnten, die noch nicht umerzogen sind? Und, sorry, hat euch die Frauenbewegung denn wirklich gar keine Einsicht hinterlassen? Dort hieß es einst: „Die Arbeit am Mann ist einzustellen.“ Warum? Weil sie nichts nützt. Manche Männer kann man nicht belehren. Aber man kann sich gegen sie wehren – am besten nicht erst ein Jahr später, sondern gleich. An einer öffentlichen Hotelbar sollte das nicht schwerfallen.
Man kann dumme Sprüche ignorieren. Man kann sie ironisch kontern. Man kann die biedere Anmache lächerlich machen. Man kann das alles souverän an sich abperlen lassen. Man muss auch nicht beleidigt flüchten, es sind ja noch andere in der Bar. Vielleicht Jüngere und Hübschere. Und schließlich, sollte wirklich alles nichts nützen und man vor der verdienten Ohrfeige zurückschrecken: ein wohlplaziertes Glas Wein, Bier oder Wasser ins Gesicht macht spitze Männer schlagartig stumpf. Und dann lächelnd sagen: „Dieses Glas geht auf meine Rechnung.“
Aber das ist offenbar zu praktisch gedacht. Es ist womöglich gar zu männlich gedacht. Denn viele Frauen wollen Probleme keineswegs lösen. Sie wollen sie behalten, schon um der Welt zu zeigen, wie unendlich verbesserungswürdig sie ist. Mann soll sich ändern. Die Welt soll sich ändern. Nur sie selbst nicht. Sie sind ja Opfer.
Das ist das Hinterhältige am Opfer-Diskurs: er schließt aus, dass man etwas dagegen tun könnte, ein Opfer zu sein. Denn dann wäre man ja auch den Opfer-Bonus los – oder darf man das jetzt wieder nicht sagen, wegen „Opfer-Abo“? Ach was. Man muss es sagen. Frau müsste blind sein, um nicht zu sehen, dass es beides gibt: Frauen, die sich als Opfer geben, ohne es zu sein, und eine Öffentlichkeit, die es nicht wagt, Frauen zuzutrauen, dass sie selbstbewusste Subjekte mit keineswegs ausschließlich nur gutem Willen sein könnten. Und damit auch Täterinnen. Ja, doch, es gibt einen Opfer-Bonus. Er bedeutet Entmündigung auf samtweichen Pfoten.
Die meisten Frauen aber sind keine Opfer. Sie können sich wehren. Und manche von ihnen wünschen sich gar keine von dummen Sprüchen und sexistischer Anmache porentief gereinigte und triebbefreite Welt, auch wenn sie das eine oder andere männliche Gehabe übel, empörend oder störend finden. Denn die haben jetzt schon keinen Spaß mehr an den Opportunisten, die ihr geschlechtergerechtes „Zuhörer und Zuhörerinnen“ auch dann noch skandieren, wenn gerade mal eine einzige Alibifrau im Publikum sitzt. Oder an den ewig schuldbewussten Buben, die peinlichst darauf achten, keinen Anlass für ein geschlechtsspezifisches Missverständnis zu geben. Als ob nicht die Möglichkeit eines Missverständnisses das Reizvolle am Flirt ist. Den darf man demnächst begraben, wenn es keinen Raum mehr gibt für Zwischentöne, für alles, was zwiespältig, riskant, hart an der Grenze oder über sie hinaus, andeutend und anzüglich ist.
Schöne neue cleane angstbesetzte prüde Welt. Gegen diese Schreckensvision würde ich gern auch die nicht mehr ganz frischen Herrenwitz-Schwadroneure in Kauf nehmen.
Worum also geht’s? Ums große Saubermachen, weil ein paar Frauen meinen, sie könnten Männern keine Grenzen zeigen? Oder – und jetzt wird’s ganz finster: weil es auch im journalistischen Gewerbe Kolleginnen geben soll, die ihre genetisch bedingten Vorzüge schamlos ausreizen? Denn dass Männer auf primitive Lockspeisen wie Bier und Titten vorhersehbar reagieren, kann frau auch zu ihrem Vorteil nutzen. Der Beispiele sind unendlich viele. Sind diese Kolleginnen unfair? Wenn ja, wem gegenüber? Den Männern, den armen Triebgesteuerten? Oder den anderen Frauen, die keine ganz so dirndlkonforme Strategie verfolgen können oder wollen? Und muss man da der Gerechtigkeit halber für alle den Ganzkörperschleier empfehlen?
In dieser Sache gibt es nicht nur Opfer unter den beleidigten Frauen. Gelitten hat auch der „Qualitätsjournalismus“, auf den man sich beim „Stern“ beruft. Ja, es gibt Verhalten, das man öffentlich machen muss. Annett Meiritz hat das im Spiegel cool und souverän getan, denn was man sich bei Piratens ihr gegenüber geleistet hat, war nicht nur geschmacklos, sondern rufschädigend. Dagegen kann sich eine Journalistin übrigens auf die machtvollste Weise wehren, die sich denken lässt: durch Öffentlichkeit.
Im Fall Brüderle aber wurde das für einen Politiker besonders gefährliche Skandalisieren gezielt als Waffe eingesetzt. Das Opfer ist in diesem Fall der Mann. Und auch die Öffentlichkeit ist ein Opfer: das Eingeständnis, dass Qualitäts-JournalistInnen wesentliche Erkenntnisse an der Hotelbar suchen, erklärt manches und lässt noch schlimmeres befürchten.
Die Welt, 27. 1. 2013
Kann man euch etwa nicht mehr allein in die Kneipe gehen lassen? Oder in die Hotelbar? Oder an andere Orte, wo sich Männer aufhalten könnten, die noch nicht umerzogen sind? Und, sorry, hat euch die Frauenbewegung denn wirklich gar keine Einsicht hinterlassen? Dort hieß es einst: „Die Arbeit am Mann ist einzustellen.“ Warum? Weil sie nichts nützt. Manche Männer kann man nicht belehren. Aber man kann sich gegen sie wehren – am besten nicht erst ein Jahr später, sondern gleich. An einer öffentlichen Hotelbar sollte das nicht schwerfallen.
Man kann dumme Sprüche ignorieren. Man kann sie ironisch kontern. Man kann die biedere Anmache lächerlich machen. Man kann das alles souverän an sich abperlen lassen. Man muss auch nicht beleidigt flüchten, es sind ja noch andere in der Bar. Vielleicht Jüngere und Hübschere. Und schließlich, sollte wirklich alles nichts nützen und man vor der verdienten Ohrfeige zurückschrecken: ein wohlplaziertes Glas Wein, Bier oder Wasser ins Gesicht macht spitze Männer schlagartig stumpf. Und dann lächelnd sagen: „Dieses Glas geht auf meine Rechnung.“
Aber das ist offenbar zu praktisch gedacht. Es ist womöglich gar zu männlich gedacht. Denn viele Frauen wollen Probleme keineswegs lösen. Sie wollen sie behalten, schon um der Welt zu zeigen, wie unendlich verbesserungswürdig sie ist. Mann soll sich ändern. Die Welt soll sich ändern. Nur sie selbst nicht. Sie sind ja Opfer.
Das ist das Hinterhältige am Opfer-Diskurs: er schließt aus, dass man etwas dagegen tun könnte, ein Opfer zu sein. Denn dann wäre man ja auch den Opfer-Bonus los – oder darf man das jetzt wieder nicht sagen, wegen „Opfer-Abo“? Ach was. Man muss es sagen. Frau müsste blind sein, um nicht zu sehen, dass es beides gibt: Frauen, die sich als Opfer geben, ohne es zu sein, und eine Öffentlichkeit, die es nicht wagt, Frauen zuzutrauen, dass sie selbstbewusste Subjekte mit keineswegs ausschließlich nur gutem Willen sein könnten. Und damit auch Täterinnen. Ja, doch, es gibt einen Opfer-Bonus. Er bedeutet Entmündigung auf samtweichen Pfoten.
Die meisten Frauen aber sind keine Opfer. Sie können sich wehren. Und manche von ihnen wünschen sich gar keine von dummen Sprüchen und sexistischer Anmache porentief gereinigte und triebbefreite Welt, auch wenn sie das eine oder andere männliche Gehabe übel, empörend oder störend finden. Denn die haben jetzt schon keinen Spaß mehr an den Opportunisten, die ihr geschlechtergerechtes „Zuhörer und Zuhörerinnen“ auch dann noch skandieren, wenn gerade mal eine einzige Alibifrau im Publikum sitzt. Oder an den ewig schuldbewussten Buben, die peinlichst darauf achten, keinen Anlass für ein geschlechtsspezifisches Missverständnis zu geben. Als ob nicht die Möglichkeit eines Missverständnisses das Reizvolle am Flirt ist. Den darf man demnächst begraben, wenn es keinen Raum mehr gibt für Zwischentöne, für alles, was zwiespältig, riskant, hart an der Grenze oder über sie hinaus, andeutend und anzüglich ist.
Schöne neue cleane angstbesetzte prüde Welt. Gegen diese Schreckensvision würde ich gern auch die nicht mehr ganz frischen Herrenwitz-Schwadroneure in Kauf nehmen.
Worum also geht’s? Ums große Saubermachen, weil ein paar Frauen meinen, sie könnten Männern keine Grenzen zeigen? Oder – und jetzt wird’s ganz finster: weil es auch im journalistischen Gewerbe Kolleginnen geben soll, die ihre genetisch bedingten Vorzüge schamlos ausreizen? Denn dass Männer auf primitive Lockspeisen wie Bier und Titten vorhersehbar reagieren, kann frau auch zu ihrem Vorteil nutzen. Der Beispiele sind unendlich viele. Sind diese Kolleginnen unfair? Wenn ja, wem gegenüber? Den Männern, den armen Triebgesteuerten? Oder den anderen Frauen, die keine ganz so dirndlkonforme Strategie verfolgen können oder wollen? Und muss man da der Gerechtigkeit halber für alle den Ganzkörperschleier empfehlen?
In dieser Sache gibt es nicht nur Opfer unter den beleidigten Frauen. Gelitten hat auch der „Qualitätsjournalismus“, auf den man sich beim „Stern“ beruft. Ja, es gibt Verhalten, das man öffentlich machen muss. Annett Meiritz hat das im Spiegel cool und souverän getan, denn was man sich bei Piratens ihr gegenüber geleistet hat, war nicht nur geschmacklos, sondern rufschädigend. Dagegen kann sich eine Journalistin übrigens auf die machtvollste Weise wehren, die sich denken lässt: durch Öffentlichkeit.
Im Fall Brüderle aber wurde das für einen Politiker besonders gefährliche Skandalisieren gezielt als Waffe eingesetzt. Das Opfer ist in diesem Fall der Mann. Und auch die Öffentlichkeit ist ein Opfer: das Eingeständnis, dass Qualitäts-JournalistInnen wesentliche Erkenntnisse an der Hotelbar suchen, erklärt manches und lässt noch schlimmeres befürchten.
Die Welt, 27. 1. 2013
Mittwoch, 23. Januar 2013
Liberale Partei gesucht!
Die FDP hat es wieder in den niedersächsischen Landtag geschafft – auch dank der CDU. Verdient war das nicht. Und im Bundestagswahlkampf wird sie auf christliche Solidarität nicht hoffen können. Die Freien Demokraten haben nicht mehr viel Zeit, um endlich zu werden, was sie noch nicht sind: eine liberale Partei.
Denn nie war Liberalismus so nötig wie heute. Und selten hatte er ein größeres Wählerpotential. Es findet sich dort, wo mittlerweile die größte aller Parteien entstanden ist: bei den Nichtwählern. Dort versammeln sich nicht nur diejenigen, die sich für Politik nicht interessieren. Sondern mehr und mehr jene, die sich nicht wiederfinden in einer politischen Landschaft, in der alle Parteien mehr oder weniger das Gleiche vertreten: Zwangsbeglückung der Bürger durch politische Steuerung und Wählerfang durch Wahlgeschenke.
Liberal Gesonnene fühlen sich von einem Gruselkabinett regiert. Die Kanzlerin erklärt ihre Politik für „alternativlos“, als wäre sie Generalsekretär des ZK. Statt einer dereinst versprochenen Reformpolitik, die dem Lastenesel Mittelstand das Leben erleichtert, betreibt die Regierung Symbolpolitik mit überaus handfesten Folgen. Die sogenannte „Energiewende“ ist undurchdacht und ungeplant, wird von Deutschland im Alleingang betrieben, ohne Rücksicht auf die Nachbarn, und verzerrt den Wettbewerb dank der kostspieligen und nutzlosen Privilegierung einer hierzulande obsoleten Technik wie der Photovoltaik. Gigantische Subventionen setzen falsche Anreize, behindern die Entstehung alternativer Techniken und dienen faktisch der Umverteilung von unten nach oben.
Das „Betreuungsgeld“, von der FDP mitbeschlossen? Die angedachte „Solidarrente“? Wahlgeschenke, die Geld kosten, das längst ausgegeben ist. Was sich hierzulande „Sparen“ nennt, ist sein Gegenteil: es bedeutet lediglich, etwas weniger von dem Geld aufs Spiel zu setzen, das man nicht hat.
Die Eurokrise ist nicht zuletzt genau dadurch entstanden: als Staatsschuldenkrise, die sich einer Politik verdankt, in der Stimmenkauf jedes politische Projekt ersetzt hat. Unsere Euroretter ziehen daraus mitnichten die einzig mögliche Konsequenz: Schluss mit dem Schuldenmachen! Sie verstoßen lieber gegen den Kern der parlamentarischen Demokratie: dass frei gewählte Abgeordnete über das Steuergeld der Bürger entscheiden, nicht irgendwelche durch nichts weiter legitimierte Bürokraten und andere „Eliten“. Und in einer Orgie der Selbstentmachtung machen alle Parteien dabei mit.
Die wachsende Zahl von Nichtwählern ist die reine Aufforderung: Alle Macht den Liberalen! Aber ausgerechnet die FDP hört nicht hin.
Warum eigentlich traut sich die Partei auch in Zeiten der Not kein Bekenntnis zu den eigenen, den liberalen Grundsätzen? In Fragen der Eurorettung ließ sie die Kritiker auch in den eigenen Reihen im Regen stehen. Zu den kostspieligen falschen Anreizen in der Energiepolitik äußert sie sich genauso wenig wie zum damit verbundenen Planungschaos, ganz zu schweigen von den Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Noch nicht einmal in Sachen Meinungsfreiheit kann man sich auf die FDP verlassen – sie duckt sich weg, wenn religiöse Fanatiker sie einschränken wollen. Ebenso, was die anmaßende Einmischung des Staates in die private Lebensführung der Bürger betrifft. Als ob sich Freiheit nur gegen den unterdrückenden Staat verteidigen müsse! Auch der moralisierend-maßregelnde, der „gute“ Staat ist ein Freiheitsfeind – selbst wenn der Bürger sich daran gewöhnt zu haben scheint, Objekt von Fürsorge geworden zu sein.
Noch nicht einmal den Vorwurf, sie betreibe reine Klientelpolitik und vertrete nur die Interessen besserverdienender Minderheiten wie Ärzte, Apotheker und Aktienbesitzer, vermag die Partei zurückzuweisen. Dabei sind vor allem die anderen Parteien mächtigen Interessenvertretern verbunden. Keiner mag die Soziallobbys verprellen. Nicht nur die SPD, längst auch CDU und Grüne bemühen sich um das Prädikat „soziale Wärme“. Dabei dient der aufgeblähte Sozialstaat als letztes den Armen und Bedürftigen, denn an erster Stelle verdient die Armutsindustrie und die Fürsorgebürokratie an den Notleidenden. Not wird gebraucht, sie schafft Arbeitsplätze. Und deshalb wird gern jenen soziale Kälte unterstellt, die einfach nur - rechnen können.
Auch mit der Natur will es sich niemand verscherzen. Die Grünen haben es stets gut verstanden, sich als Vertreterin von Gattungsinteressen zu verkaufen: wer für die Natur steht, macht sich unangreifbar. Auch hinter dieser Nebelwand tummeln sich mächtige Lobbies, das, was man mittlerweile getrost ökologisch-industrieller Komplex nennen kann. Gegen die Privilegien für Eigenheimbesitzer mit Photovoltaik auf dem Dach sind die paar Prozente fürs Hotelgewerbe Peanuts.
Die Erfindung eines „mitfühlenden Liberalismus“ durch Christian Lindner ist das Eingeständnis der Ohnmacht. Alle anderen Parteien sind der FDP weit überlegen, was das gefühlsstarke Beteuern von „Wärme“ und „Menschlichkeit“ betrifft. Womit sich die FDP unterscheiden könnte, wäre Ehrlichkeit: Liberale werben nicht mit nahezu religiösen Erlösungsversprechen und distanzlosem Menscheln.
Zugegeben: die FDP hat es nicht leicht. Man braucht verdammt lange Beine, wenn man den Spagat wagen will: hier mitregieren, dort liberal wahlkämpfen. Im Grunde aber bleibt der Partei nichts anderes übrig, will sie überleben. Sie hat nichts mehr zu verlieren.
Also: Mut zur Wahrheit! Deutschland ist auf dem Weg zur Bananenrepublik, in der alle Riesengroßes vorhaben – von der Energiewende bis zum Berliner Großflughafen - , aber noch nicht einmal eine klitzekleine Steuerreform zustandebringen. Wer das Land wieder auf den Teppich bringt, macht sich verdient.
Es danken all jene freiheitsliebenden Geister, die keine Angst davor haben, den Kaiser nackt zu nennen, wenn er keine Kleider trägt. Davon gibt es täglich mehr.
Die Welt, 22. 1. 2012
Denn nie war Liberalismus so nötig wie heute. Und selten hatte er ein größeres Wählerpotential. Es findet sich dort, wo mittlerweile die größte aller Parteien entstanden ist: bei den Nichtwählern. Dort versammeln sich nicht nur diejenigen, die sich für Politik nicht interessieren. Sondern mehr und mehr jene, die sich nicht wiederfinden in einer politischen Landschaft, in der alle Parteien mehr oder weniger das Gleiche vertreten: Zwangsbeglückung der Bürger durch politische Steuerung und Wählerfang durch Wahlgeschenke.
Liberal Gesonnene fühlen sich von einem Gruselkabinett regiert. Die Kanzlerin erklärt ihre Politik für „alternativlos“, als wäre sie Generalsekretär des ZK. Statt einer dereinst versprochenen Reformpolitik, die dem Lastenesel Mittelstand das Leben erleichtert, betreibt die Regierung Symbolpolitik mit überaus handfesten Folgen. Die sogenannte „Energiewende“ ist undurchdacht und ungeplant, wird von Deutschland im Alleingang betrieben, ohne Rücksicht auf die Nachbarn, und verzerrt den Wettbewerb dank der kostspieligen und nutzlosen Privilegierung einer hierzulande obsoleten Technik wie der Photovoltaik. Gigantische Subventionen setzen falsche Anreize, behindern die Entstehung alternativer Techniken und dienen faktisch der Umverteilung von unten nach oben.
Das „Betreuungsgeld“, von der FDP mitbeschlossen? Die angedachte „Solidarrente“? Wahlgeschenke, die Geld kosten, das längst ausgegeben ist. Was sich hierzulande „Sparen“ nennt, ist sein Gegenteil: es bedeutet lediglich, etwas weniger von dem Geld aufs Spiel zu setzen, das man nicht hat.
Die Eurokrise ist nicht zuletzt genau dadurch entstanden: als Staatsschuldenkrise, die sich einer Politik verdankt, in der Stimmenkauf jedes politische Projekt ersetzt hat. Unsere Euroretter ziehen daraus mitnichten die einzig mögliche Konsequenz: Schluss mit dem Schuldenmachen! Sie verstoßen lieber gegen den Kern der parlamentarischen Demokratie: dass frei gewählte Abgeordnete über das Steuergeld der Bürger entscheiden, nicht irgendwelche durch nichts weiter legitimierte Bürokraten und andere „Eliten“. Und in einer Orgie der Selbstentmachtung machen alle Parteien dabei mit.
Die wachsende Zahl von Nichtwählern ist die reine Aufforderung: Alle Macht den Liberalen! Aber ausgerechnet die FDP hört nicht hin.
Warum eigentlich traut sich die Partei auch in Zeiten der Not kein Bekenntnis zu den eigenen, den liberalen Grundsätzen? In Fragen der Eurorettung ließ sie die Kritiker auch in den eigenen Reihen im Regen stehen. Zu den kostspieligen falschen Anreizen in der Energiepolitik äußert sie sich genauso wenig wie zum damit verbundenen Planungschaos, ganz zu schweigen von den Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Noch nicht einmal in Sachen Meinungsfreiheit kann man sich auf die FDP verlassen – sie duckt sich weg, wenn religiöse Fanatiker sie einschränken wollen. Ebenso, was die anmaßende Einmischung des Staates in die private Lebensführung der Bürger betrifft. Als ob sich Freiheit nur gegen den unterdrückenden Staat verteidigen müsse! Auch der moralisierend-maßregelnde, der „gute“ Staat ist ein Freiheitsfeind – selbst wenn der Bürger sich daran gewöhnt zu haben scheint, Objekt von Fürsorge geworden zu sein.
Noch nicht einmal den Vorwurf, sie betreibe reine Klientelpolitik und vertrete nur die Interessen besserverdienender Minderheiten wie Ärzte, Apotheker und Aktienbesitzer, vermag die Partei zurückzuweisen. Dabei sind vor allem die anderen Parteien mächtigen Interessenvertretern verbunden. Keiner mag die Soziallobbys verprellen. Nicht nur die SPD, längst auch CDU und Grüne bemühen sich um das Prädikat „soziale Wärme“. Dabei dient der aufgeblähte Sozialstaat als letztes den Armen und Bedürftigen, denn an erster Stelle verdient die Armutsindustrie und die Fürsorgebürokratie an den Notleidenden. Not wird gebraucht, sie schafft Arbeitsplätze. Und deshalb wird gern jenen soziale Kälte unterstellt, die einfach nur - rechnen können.
Auch mit der Natur will es sich niemand verscherzen. Die Grünen haben es stets gut verstanden, sich als Vertreterin von Gattungsinteressen zu verkaufen: wer für die Natur steht, macht sich unangreifbar. Auch hinter dieser Nebelwand tummeln sich mächtige Lobbies, das, was man mittlerweile getrost ökologisch-industrieller Komplex nennen kann. Gegen die Privilegien für Eigenheimbesitzer mit Photovoltaik auf dem Dach sind die paar Prozente fürs Hotelgewerbe Peanuts.
Die Erfindung eines „mitfühlenden Liberalismus“ durch Christian Lindner ist das Eingeständnis der Ohnmacht. Alle anderen Parteien sind der FDP weit überlegen, was das gefühlsstarke Beteuern von „Wärme“ und „Menschlichkeit“ betrifft. Womit sich die FDP unterscheiden könnte, wäre Ehrlichkeit: Liberale werben nicht mit nahezu religiösen Erlösungsversprechen und distanzlosem Menscheln.
Zugegeben: die FDP hat es nicht leicht. Man braucht verdammt lange Beine, wenn man den Spagat wagen will: hier mitregieren, dort liberal wahlkämpfen. Im Grunde aber bleibt der Partei nichts anderes übrig, will sie überleben. Sie hat nichts mehr zu verlieren.
Also: Mut zur Wahrheit! Deutschland ist auf dem Weg zur Bananenrepublik, in der alle Riesengroßes vorhaben – von der Energiewende bis zum Berliner Großflughafen - , aber noch nicht einmal eine klitzekleine Steuerreform zustandebringen. Wer das Land wieder auf den Teppich bringt, macht sich verdient.
Es danken all jene freiheitsliebenden Geister, die keine Angst davor haben, den Kaiser nackt zu nennen, wenn er keine Kleider trägt. Davon gibt es täglich mehr.
Die Welt, 22. 1. 2012
Samstag, 12. Januar 2013
Liebe Freunde Israels!
Es gibt Kritik an Israel, die ist antisemitisch. Das ist weder ein deutsches Privileg noch überrascht es. Im Gegenteil: danke für Ihre Offenheit, meine Damen und Herren! Weit peinlicher ist jene Kritik an Israel, die seine „Freunde“ üben. Dichter und Denker etwa, die eine so enge Freundschaft mit den Juden pflegen, dass sie sich verpflichtet fühlen, ihnen dabei zu helfen, sich als eingetragene Opfer gefälligst anständig zu benehmen. Oft ist das schlimmer als antisemitisch: nämlich noch dümmer.
Doch richtig duster wird’s, wenn Politiker feiertags vom „besonderen Verhältnis“ zwischen Deutschland und Israel schwadronieren. Könnte es sein, dass sich dahinter ein Missverständnis verbirgt? Unter den Nazis haben Deutsche versucht, alle Juden umzubringen, das ist richtig. Kein gestandener Zionist aber würde Hitler zugestehen, an Israel schuld zu sein. Die ersten Zionisten machten sich Ende des 19. Jahrhunderts nach Palästina auf. Aber vor allem: was ist im Ernstfall von diesem „besonderen Verhältnis“ zu halten?
Solche Feiertagsvokabeln klingen verdächtig nach der Schutzbehauptung dieser und anderer Dichterfürsten, sie seien ein „Freund des Staates Israel“, was die auf dem Fuße folgenden Belehrungen offenbar verdaulicher machen soll. Was soll das? Noch nicht mal auf Facebook bin ich mit Staaten befreundet, auch nicht mit ganzen Völkern, gar dem jüdischen, um Himmelswillen. Auch gehört es sich, zwischen Bevölkerung und Regierung zu unterscheiden, das gilt sogar für die Deutschen unter den Nazis. Im übrigen muss man den Israelis keine Nachhilfe geben, was Kritik und Selbstkritik betrifft, das ist da unten Volkssport. Dafür mag ich sie übrigens, die Israelis. Sofern das nicht schon wieder nach aufgenötigter Freundschaft klingt.
Wie wäre es also, die Beziehung zwischen zwei Ländern, dem westeuropäischen Deutschland und dem nahöstlichen Israel, mal ganz ohne wabernden Wortnebel zu betrachten? Ganz ohne Rekurs auf die Vergangenheit, auch wenn das, zugegeben, schwer fällt? Aber im Hinblick darauf, was im Notfall die „Freundschaft“ wert ist?
Ich bin auf der Seite Israels, wann immer es um die Verteidigung seiner Existenz geht. Dafür gibt es gute Gründe, ganz ohne Vergangenheit und besondere Verhältnisse. Israel, dieses verrückte, zerrissene Land, ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Es ist das Bollwerk des Westens. Es ist seit Jahrzehnten Objekt der zynischen Palästinenserpolitik seiner arabischen Nachbarn. Es wird nicht nur von einem durchgeknallten Despoten im Iran bedroht, auch der Vormarsch islamischer Fundamentalisten in den arabischen Ländern drängt das winzige Land an den Rand. Hinzu kommen seine Gegner im Lande selbst: viele orthodoxe Juden wollen und wollten keinen Staat Israel. Doch wenn es ihn schon gibt, hat der Lubawitscher Rebbe mal gesagt, dann soll es in Israel wenigstens orthodox zugehen. Schlechte Aussichten für das freie, das moderne Israel: auch die liberalen Juden der Welt zieht es nicht unbedingt in das furchtbar enge und ständig nervöse Land.
Doch nicht obwohl, sondern weil es zum Westen gehört, wacht man hierzulande mit Argusaugen darüber, dass die Israelis auch sauber bleiben. Raketen auf Israel sind kaum eine Nachricht wert. Israelische Gegenwehr schon. Zur Folklore friedensliebender Deutscher gehört, denen mit „andersartiger Kultur“ so gut wie alles zu verzeihen, auch Selbstmordanschläge mit voller Tötungsabsicht, während von der israelischen (oder amerikanischen) Armee verursachte „Kollateralschäden“, also versehentliche Ziviltote, skandalisiert werden. Man ist vielleicht nicht vor allem antisemitisch – aber in alter linker Tradition gegen den Westen.
Und gewiss, der „Arabellion“ konnte man zujubeln, zumal dem Abschied von kabarettreifen Despoten. Aber dass freie demokratische Wahlen auch jenen nützen, die mit Rechtsstaatlichkeit nichts am Hut haben und die Demokratie dazu benutzen, sie abzuschaffen, dürfte selbst Freunden des Volkes irgendwann dämmern. Angesichts der trostlosen Lage im Iran sei die Frage erlaubt, ob der Schah (mitsamt Farah Diba) nicht das kleinere Übel war. Und zwar nicht nur, aber auch deshalb, weil das Schahregime für den Westen eine kalkulierbare Größe war.
Womit ich am Punkt bin, an dem ich gerne wüsste, was die „Freunde Israels“ wollen, die schwierige Lage einmal zuendegedacht. Israel möge Frieden bewahren. Schön. Aber wie macht man das ohne verlässliche, ohne kalkulierbare Nachbarn? Die andere Wange hinhalten?
Israel möge die von vielen ersehnte Zweistaatenlösung nicht gefährden, etwa durch Siedlungsprojekte. Sofern die Stadt Maaleh Adumim gemeint ist, in der 4 000 Wohnungen gebaut werden sollen: wie kann ein Ort, der gerade mal sieben Kilometer von Jerusalem entfernt ist und allen bekannten Plänen zufolge einem künftigen Israel zugeschlagen werden würde, den Friedensprozess mehr gefährden als der Beschuss Israels durch die Hamas?
Und überhaupt: die Zweistaatenlösung. Sie gilt als Fortschritt gegenüber der Forderung nach Rückkehrrecht für alle Palästinenser, was angesichts ihrer erdrückenden Mehrheit in Windeseile dafür sorgen würde, dass Israel weder ein Judenstaat noch eine westliche Demokratie bliebe. Aber wie soll sie aussehen? Womöglich so, wie es Barry Shaw in der Jerusalem Post prognostiziert: Im Palästinenserstaat gewinnt die Hamas die demokratischen Wahlen und setzt ihr Programm um, nämlich ganz Palästina zu „befreien“. Mithilfe islamistischer Streiter aus Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten wird das strategisch geschwächte Rumpfisrael in die Enge getrieben. Denn die Hamas wäre damit so nahe gerückt, dass sie nicht nur den internationalen Flughafen kontrollieren, sondern auch jede Ecke des übriggebliebenen Israels bombardieren könnte.
Und dann?
Wir brauchen in Deutschland kein „besonderes Verhältnis“ zu Israel und auch nicht die Beschwörung des Holocaust, es reichte im Grunde das pure Eigeninteresse: das Interesse daran, im Nahen Osten nicht die letzte Bastion von westlicher Moderne, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu verlieren.
Und jetzt kommt die Gretchenfrage: was wären wir bereit dafür zu tun?
Die Welt, 11.1.2013
Doch richtig duster wird’s, wenn Politiker feiertags vom „besonderen Verhältnis“ zwischen Deutschland und Israel schwadronieren. Könnte es sein, dass sich dahinter ein Missverständnis verbirgt? Unter den Nazis haben Deutsche versucht, alle Juden umzubringen, das ist richtig. Kein gestandener Zionist aber würde Hitler zugestehen, an Israel schuld zu sein. Die ersten Zionisten machten sich Ende des 19. Jahrhunderts nach Palästina auf. Aber vor allem: was ist im Ernstfall von diesem „besonderen Verhältnis“ zu halten?
Solche Feiertagsvokabeln klingen verdächtig nach der Schutzbehauptung dieser und anderer Dichterfürsten, sie seien ein „Freund des Staates Israel“, was die auf dem Fuße folgenden Belehrungen offenbar verdaulicher machen soll. Was soll das? Noch nicht mal auf Facebook bin ich mit Staaten befreundet, auch nicht mit ganzen Völkern, gar dem jüdischen, um Himmelswillen. Auch gehört es sich, zwischen Bevölkerung und Regierung zu unterscheiden, das gilt sogar für die Deutschen unter den Nazis. Im übrigen muss man den Israelis keine Nachhilfe geben, was Kritik und Selbstkritik betrifft, das ist da unten Volkssport. Dafür mag ich sie übrigens, die Israelis. Sofern das nicht schon wieder nach aufgenötigter Freundschaft klingt.
Wie wäre es also, die Beziehung zwischen zwei Ländern, dem westeuropäischen Deutschland und dem nahöstlichen Israel, mal ganz ohne wabernden Wortnebel zu betrachten? Ganz ohne Rekurs auf die Vergangenheit, auch wenn das, zugegeben, schwer fällt? Aber im Hinblick darauf, was im Notfall die „Freundschaft“ wert ist?
Ich bin auf der Seite Israels, wann immer es um die Verteidigung seiner Existenz geht. Dafür gibt es gute Gründe, ganz ohne Vergangenheit und besondere Verhältnisse. Israel, dieses verrückte, zerrissene Land, ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Es ist das Bollwerk des Westens. Es ist seit Jahrzehnten Objekt der zynischen Palästinenserpolitik seiner arabischen Nachbarn. Es wird nicht nur von einem durchgeknallten Despoten im Iran bedroht, auch der Vormarsch islamischer Fundamentalisten in den arabischen Ländern drängt das winzige Land an den Rand. Hinzu kommen seine Gegner im Lande selbst: viele orthodoxe Juden wollen und wollten keinen Staat Israel. Doch wenn es ihn schon gibt, hat der Lubawitscher Rebbe mal gesagt, dann soll es in Israel wenigstens orthodox zugehen. Schlechte Aussichten für das freie, das moderne Israel: auch die liberalen Juden der Welt zieht es nicht unbedingt in das furchtbar enge und ständig nervöse Land.
Doch nicht obwohl, sondern weil es zum Westen gehört, wacht man hierzulande mit Argusaugen darüber, dass die Israelis auch sauber bleiben. Raketen auf Israel sind kaum eine Nachricht wert. Israelische Gegenwehr schon. Zur Folklore friedensliebender Deutscher gehört, denen mit „andersartiger Kultur“ so gut wie alles zu verzeihen, auch Selbstmordanschläge mit voller Tötungsabsicht, während von der israelischen (oder amerikanischen) Armee verursachte „Kollateralschäden“, also versehentliche Ziviltote, skandalisiert werden. Man ist vielleicht nicht vor allem antisemitisch – aber in alter linker Tradition gegen den Westen.
Und gewiss, der „Arabellion“ konnte man zujubeln, zumal dem Abschied von kabarettreifen Despoten. Aber dass freie demokratische Wahlen auch jenen nützen, die mit Rechtsstaatlichkeit nichts am Hut haben und die Demokratie dazu benutzen, sie abzuschaffen, dürfte selbst Freunden des Volkes irgendwann dämmern. Angesichts der trostlosen Lage im Iran sei die Frage erlaubt, ob der Schah (mitsamt Farah Diba) nicht das kleinere Übel war. Und zwar nicht nur, aber auch deshalb, weil das Schahregime für den Westen eine kalkulierbare Größe war.
Womit ich am Punkt bin, an dem ich gerne wüsste, was die „Freunde Israels“ wollen, die schwierige Lage einmal zuendegedacht. Israel möge Frieden bewahren. Schön. Aber wie macht man das ohne verlässliche, ohne kalkulierbare Nachbarn? Die andere Wange hinhalten?
Israel möge die von vielen ersehnte Zweistaatenlösung nicht gefährden, etwa durch Siedlungsprojekte. Sofern die Stadt Maaleh Adumim gemeint ist, in der 4 000 Wohnungen gebaut werden sollen: wie kann ein Ort, der gerade mal sieben Kilometer von Jerusalem entfernt ist und allen bekannten Plänen zufolge einem künftigen Israel zugeschlagen werden würde, den Friedensprozess mehr gefährden als der Beschuss Israels durch die Hamas?
Und überhaupt: die Zweistaatenlösung. Sie gilt als Fortschritt gegenüber der Forderung nach Rückkehrrecht für alle Palästinenser, was angesichts ihrer erdrückenden Mehrheit in Windeseile dafür sorgen würde, dass Israel weder ein Judenstaat noch eine westliche Demokratie bliebe. Aber wie soll sie aussehen? Womöglich so, wie es Barry Shaw in der Jerusalem Post prognostiziert: Im Palästinenserstaat gewinnt die Hamas die demokratischen Wahlen und setzt ihr Programm um, nämlich ganz Palästina zu „befreien“. Mithilfe islamistischer Streiter aus Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten wird das strategisch geschwächte Rumpfisrael in die Enge getrieben. Denn die Hamas wäre damit so nahe gerückt, dass sie nicht nur den internationalen Flughafen kontrollieren, sondern auch jede Ecke des übriggebliebenen Israels bombardieren könnte.
Und dann?
Wir brauchen in Deutschland kein „besonderes Verhältnis“ zu Israel und auch nicht die Beschwörung des Holocaust, es reichte im Grunde das pure Eigeninteresse: das Interesse daran, im Nahen Osten nicht die letzte Bastion von westlicher Moderne, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu verlieren.
Und jetzt kommt die Gretchenfrage: was wären wir bereit dafür zu tun?
Die Welt, 11.1.2013
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Reden wir mal nicht über das Versagen der Bundes- und Landesregierungen, einzelner Minister, der Frau Kanzler. Dazu ist im Grunde alles ge...
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Reden wir mal nicht über das Versagen der Bundes- und Landesregierungen, einzelner Minister, der Frau Kanzler. Dazu ist im Grunde alles ge...
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Die Kanzlerin hat ihr klimapolitisches Schicksal eng an das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung geknüpft, insbesondere an seinen Grü...
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Wer ist unterdrückt und müsste dringend befreit werden? Der dressierte Mann. Und das könnte er eigentlich seit 50 Jahren wissen. Wenn man ...