Schon gemerkt? Wir werden hierzulande gar nicht regiert. Wir sind nicht abhängig von all den Schäubles und Brüderles, den Westerwelles und zu Guttenbergs. Hat also gar keinen Sinn, sich aufzuregen: Wir unterliegen höheren Mächten. Protest ist zwecklos. Denn ändern kann man gar nichts.
Das und nichts anderes meint die Kanzlerin, wenn sie etwas „alternativlos“ nennt. Schließlich kennt sich eine Naturwissenschaftlerin wie Angela Merkel aus mit den Naturgesetzen. Die sind zwangsläufig. Da gibt’s nichts zu diskutieren. Da ist politisch nichts mehr zu machen. Das ist übergesetzlicher Notstand. Widerstand und Widerspruch erübrigen sich. Das Nichtregieren fordert vom Bürger nur eins: sich still und ergeben abzufinden.
Ja, Alternativlosigkeit ist der Traum jedes Politikers. Und fast sind wir ja schon so weit mit der Duldungsstarre der Untertanen. Was sich in Klimadingen angedeutet hat – angesichts der drohenden Apokalypse verbieten sich Zweifel, weshalb so ein Klimaleugner mindestens so schlimm ist wie ein Holocaustleugner – lässt sich auf andere Felder der Politik mühelos übertragen.
Stuttgart 21 etwa ist alternativlos. Der sogenannte „Rettungsschirm“ über der Europäischen Union natürlich auch. Egal, ob dafür das eine oder andere Gesetz gebrochen oder gebogen wird: was muss, das muss.
Nur, um den Anschein zu wahren, zieren sich unsere EU-Rettungspolitiker Schäuble und Merkel noch ein wenig, aber das Volumen der EFSF – der „Europäischen Finanzstabilisierungsfaszilität“ – von jetzt 750 Milliarden Euro wird sicher noch anwachsen und ein Ende der Hilfe ist nicht in Sicht, sie ist ja jetzt schon unbefristet.
Klar, dass der deutsche Steuerbürger sich angesichts der Unausweichlichkeit solchen Geschehens bescheiden muss. Finanzminister Schäuble rechnet mit dem Realismus der Untertanen, die ja wüssten, ich zitiere: „dass allein schon wegen der Alterung der Bevölkerung große Herausforderungen auf den Staat zukommen.“ Das kommt davon, wenn all die Mallorca-Rentner nicht früh genug ins Gras beißen, denkt da der Noch-Steuerzahler betroffen und schminkt sich den fröhlichen Rentnerlenz schon mal vorausschauend ab.
Jetzt mal im Ernst: Glaubt jemand in der schwarzgelben Koalition wirklich, der Bürger würde den rasenden Übergang von der Europäischen Währungsunion zur Transferunion ebenso lammfromm hinnehmen wie das unwürdige Gezacker um eine nicht mehr als symbolische Steuerreform? Man kann die charmant „Fazilität“ genannte Rettungsaktion mit Fug und Recht als einen Putsch bezeichnen, der auf Untreue und auf Betrug gegenüber dem Steuerzahler hinausläuft. Und alternativlos ist weder das noch die Währungsunion, von denen hat die Geschichte schon einige auf- und wieder untergehen gesehen.
Nun hat der Finanzminister durchaus recht, wenn er darauf hinweist, dass dieser Staat ein Ausgabenproblem hat. Das aber liegt am wenigsten am Geschenk eines langen Lebens. Es liegt zum Beispiel an der Unart dieser und aller vorherigen Regierungen, soziale Wohltaten als Wahlgeschenke zu verteilen. Die schwarzrote Variante hat dabei alle anderen übertroffen, indem sie ohne Not eine „Rentengarantie“ beschloss, die nichts anderes heißt, als dass es für die wachsende Zahl der Rentner schlimmstens bleibt, wie es ist, auch wenn es für die abnehmende Zahl der Normalverdiener gerade abwärts geht. Nicht die Alterung der Bevölkerung ist eine Herausforderung für den Staat, sondern eine Regierung, die glaubt, den Wählern etwas vormachen zu können: nämlich dass es andere, unveränderliche Faktoren seien, die über Gegenwart und Zukunft entscheiden, und nicht Regierungshandeln, das, mit Verlaub, mittlerweile weit unter dem Niveau der Regierten angelangt ist.
Doch halt! Gibt es nicht etwa doch gute Neuigkeiten? Der Finanzminister hat zwar bis zuletzt Widerstand geleistet, aber das ist vorbei. Steuererleichterung jetzt! Die Regierung hat einer Anhebung der Arbeitnehmerpauschale von 920 auf 1000 Euro schon ab 2011 zugestimmt. Das kostet den Bundeshaushalt das Sümmchen von 300 Millionen Euro im Jahr. Dem Arbeitnehmer beschert das ein Mehr von höchstens 3 Euro im Monat. Prost! Für ein Bier langt das allemal.
Das hätte man sich wirklich sparen können.
© Cora Stephan 2011
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