Seit in der Politik die menschliche Wärme dominieren soll
und Zahlen und Fakten als kalt gelten, scheint es aus der Mode gekommen zu
sein, mal nachzurechnen, wenn es um politische Großtaten geht. Ist ja auch
egal, solange die Steuerquellen „sprudeln“ – den brav seine Steuern zahlenden
Bürger scheint es übrigens nicht weiter zu irritieren, als kalte und
unmenschliche „Quelle“ zu figurieren.
Doch nun seien die „fetten Jahre“ vorbei, heißt es derzeit,
seit die Zeichen darauf hindeuten, dass der jahrelange Aufschwung Geschichte ist.
Darauf müssen sich auch die Schätzer des Steueraufkommens einlassen, mit dem
der Staat bislang waltete und gestaltete. Bis 2023 dürften 124,3 Milliarden
Euro weniger fließen – doch gemach: Bund, Länder und Kommunen können weiterhin
auf 908 Milliarden hoffen. Also weniger ausgeben. So schwer kann das doch nicht
sein!
Naja. Nicht, wenn der Anteil der Sozialausgaben am
Bundeshaushalt von 2013 bis 2020 von 52,7 auf 57,3 Prozent steigen soll. Denn
eines geht in unserem Land der Wunder nicht: die Staatsausgaben an die
Einnahmen anpassen. Es gibt schließlich Herzensangelegenheiten, bei denen man
nicht kleinlich sein und nachrechnen sollte. Etwa, was es kostet, in deutschen
Verwaltungen die gendergerechte Sprache einzuführen, den Vermerk „divers“ in
Formulare und Dokumente aufzunehmen oder Toiletten für all die anderen
Geschlechter neben Mann und Frau zu bauen. Kaltherzig, die Zahl derjenigen, die
Wert darauf legen, weder das eine noch das andere zu sein, anzuführen! Sie
dürfte im Promillebereich liegen: bei schätzungsweise 0,002 Prozent, wie ein
Kollege von der „Zeit“ jüngst ermittelte.
Egal: Das ist uns wichtig. Steuerentlastungen darf es also nicht
geben. Noch nicht einmal an die Steuerprogression will man rühren, jene
ungerechtfertigte Bereicherung, die abzuschaffen Angela Merkel 2005 versprochen
hatte. Was der Staat einmal hat, gibt er nicht wieder her, das gilt für die
Sektsteuer wie für den Soli. Also muss eine neue Steuer her. Und wir wissen
auch schon, wie sie heißen wird: die CO2-Steuer. Denn, wie die Kanzlerin jüngst
sagte: wir müssen den Planeten retten. Dafür kann kein Opfer zuviel sein. Und,
wie gesagt: die Steuerquellen sprudeln ja. Noch.
Nun, es gibt viele Weisen, sprudelnde Quellen auszutrocknen.
Vor allem, indem man den Wirtschaftsstandort Deutschland lahmlegt. Man kann die
Produktion durch Energiekosten verteuern. Man kann durch bürokratische Hürden
Innovation verhindern. Man kann populistisch Technikfeindschaft schüren.
It’s the
economy, stupid, hat einst Bill Clinton gerufen. Genau. Es geht um die
Wirtschaft.
Dass Deutschland ein reiches Land sei, ist ein Märchen.
Bislang aber war es ein leistungsfähiges Land, vor allem dank seines
innovativen Mittelstands, lange Zeit in vielen technischen Nischen Weltmarktführer.
Längst aber gibt es eine beträchtliche Abwanderung jener Fachkräfte, auf deren
Qualitäten die Produktivität beruht. Sie finden woanders mehr Wertschätzung und
dürfen von ihrem Brutto mehr Netto behalten. Des weiteren: Die Energiekosten
hierzulande sind die höchsten Europas und die zweithöchsten weltweit. Vor allem
aber ist die Versorgungssicherheit dank der unzuverlässigen Einspeisung des „Zappelstroms“
aus Wind und Sonne schon längst nicht mehr gegeben.
Doch wenn es ums magische CO2 geht, ist Vernunft nicht mehr
gefragt. Die Attacke auf die Autoindustrie, von der rund jeder 7. Arbeitsplatz
abhängt, wird beinahe klaglos hingenommen. Obzwar Dieselfahrzeuge weniger
Co2-schädlich sind, wird Elektromobilität angepriesen, die weder ausgereift
noch angesichts der längst gescheiterten Energiewende realistisch ist. Aus der
Entwicklung der C02-freien Atomenergie hat sich Deutschland verabschiedet, über
die Entsorgungskosten der hochgiftigen Rückstände von keineswegs CO2sparend
produzierten Windkraftrotorblättern und Solarpanelen aber wird noch nicht
einmal nachgedacht.
Aber was tut’s? Man muss sich einfach nur Großes vornehmen,
wenn man im Kleinen scheitert. Retten wir also die Welt, indem wir uns zum
Verschwinden bringen. Das ist der neueste Schrei: einfach keine Kinder mehr
kriegen. Na dann: Frohes Aussterben.
Zuerst, leicht gekürzt: Die Meinung, NDR Info, 12. Mai 2019