Es ist schon verblüffend, wie lange die CDU stillgehalten hat angesichts sinkender Wählerzahlen und wachsender Zumutungen. Doch derzeit zeigt die Kanzlerin Schwäche, und das und die eigenen Niederlagen scheinen mutig zu machen: plötzlich regt sich ein Hauch Widerstand in der Partei, auch wenn von Aufstand nicht die Rede sein kann. Zeit wird’s, möchte man da rufen, schließlich hat es lange so ausgesehen, als ob es Angela Merkel auf Dauer gelungen wäre, jede Konkurrenz zu eliminieren und alle Opposition im Keime zu ersticken.
Der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Strobl aber wirkt durchaus lebendig und seine Kritik am System Merkel ist deutlich. Man habe den innerparteilichen Streit verlernt, die Lebenswirklichkeit der Bürger aus dem Auge verloren und mit der Arroganz der Macht die eigene Glaubwürdigkeit verspielt, heißt es in einem Thesenpapier, mit dem er neuer Landesparteivorsitzender werden will. Die CDU sei sich noch nicht einmal mehr des eigenen Wertefundaments sicher.
Die kaum verhüllte Kritik trifft die Kanzlerin zum falschen Zeitpunkt – oder auch zum richtigen. Ihre internationale Reputation ist angeschlagen, es ist ihr bislang nicht gelungen, auch nur einen einzigen international bedeutsamen Posten mit einem deutschen Vertreter zu besetzen. Und zu Hause darf sie um die Kanzlermehrheit fürchten, wenn es um Ausstattung und Fortschreibung des Euro-Rettungsschirms geht. Zwar sind es ausgerechnet die Grünen, die beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Regierung eingereicht haben, weil die in Sachen Euro-Rettung den Bundestag übergangen habe. Aber auch im eigenen Lager erzeugt die Europapolitik der Regierung Unruhe und Unmut. Der Mann im zweithöchsten Amt des Staates, Bundestagspräsident Norbert Lammert, hat bereits vor Monaten seine Kanzlerin darüber belehrt, dass Beschlüsse von einer solchen Tragweite nicht ohne das Votum des Parlaments statthaft sind. „Intern brodelt’s gewaltig“, bemerkte jüngst der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann. Endlich dringt das auch nach draussen.
Denn angesichts der Milliarden, um die es hier geht, angesichts des wachsenden Misstrauens der Steuerzahler, die wissen wollen, wofür noch sie geradestehen sollen, wenn sich zum strauchelnden Griechenland auch Italien und Spanien gesellen, hat man in der CDU allen Grund, sich zu fürchten.
Sollte die Kanzlerin geglaubt haben, durch ihren rasanten Positionswechsel in Sachen Atomenergie von der dräuenden EU-Katastrophe abgelenkt zu haben, so dürfte sie sich getäuscht haben. Die Bürger haben darin reine Wahltaktik erkannt, Opportunismus, nicht Lernvermögen. Dass die Energiewende für die CDU kein Gewinnerthema sei, weshalb man die Angelegenheit schnell eintüten müsse, hat mittlerweile auch die Kanzlerin begriffen.
Das Euro-Thema aber wird ihr erhalten bleiben und damit droht, wie CDU-Vorstand Schlarmann kühl konstatiert, der CDU ein Desaster bei den Bundestagswahlen 2013. Dann nämlich, wenn auch der letzte Steuerzahler hierzulande begriffen hat, dass die Politik der Merkelregierung in Sachen Griechenland nicht nur das Drama verschleppt, sondern die Folgekosten ins Gigantische hat wachsen lassen.
Ob es da hilft, wenn es die CDU mit ein bisschen mehr Lebensgefühl, mit Wärme und Emotionen versuchte, wie Thomas Strobl empfiehlt? Wenn sie, mit anderen Worten, ihre Ziele und Zwecke etwas liebenswürdiger kommunizierte?
Aber an Gefühl fehlt es uns in diesem Lande doch gar nicht. Der schlimmste Vorwurf an Thilo Sarrazin lautete bezeichnenderweise, er lasse es an menschlicher Wärme vermissen und setze Zahlen an die Stelle von Gefühlen. Ausgerechnet im Land der Ingenieurskunst mangelt es vielmehr an den Grundrechenarten. Am Verständnis dafür, was 1,9 Billiarden Schulden für Staat und Steuerzahler bedeuten. An klaren Prognosen, wie teuer uns eine EU als Transferunion kommen wird.
Sicher: Angela Merkels sachliche Art kommt mittlerweile nur noch als Kaltschnäuzigkeit an. Doch die Probleme, die mit dem Scheitern der Währungsunion auf unser Land zukommen, sind keine Angelegenheit der Gefühle, obwohl es die Vokabeln „Solidarität“ und „Rettungsschirm“– oder auch „deutscher Egoismus“ - suggerieren. Es fehlt, im Gegenteil, am kalten Blick, an rationaler Überlegung, an ökonomischer Strenge - und an deutscher Führungsstärke. Die Kanzlerin verschont uns nicht nur mit ihren Gefühlen, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Sie lässt auch Verstand und Entscheidungskraft vermissen. Und das hat das Land irgendwie nicht verdient.
Für: Die Meinung, NDR-Info, 29. Mai 2011
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Liebe Cora,
AntwortenLöschenDu schreibst, wie so viele, vom "wachsenden Misstrauen(s) der Steuerzahler", prognostizierst "bis auch der letzte Steuerzahler" und analysierst, "was 1,9 Billiarden Schulden für Staat und Steuerzahler bedeuten". Wie so viele, sage ich, weil das mit dem Steuerzahler in den letzten Jahren zu so etwas wie einer Sprachkonstante in Politik und Medien geworden zu sein scheint.
Nun zahlen wir als Familie ziemlich heftig viel Steuern (lassen wir mal dahingestellt sein, ob ich das besonders toll finde oder nicht), sehr viel sogar, aber ich empfinde es dennoch als eine ziemlich gewalttätige Missachtung meiner Person, wenn mir implizit immer unterstellt wird, ich handelte, reagierte, dächte nicht als politisch denkender Bürger dieses Landes, sondern nur als Steuerzahler. Nein, ich handele, reagiere, denke nicht nur als Steuerzahler. Mir - und ich bin sicher, auch der Mehrheit der anderen Menschen, die viel Steuern zahlen - gehen jede Menge politischer, kultureller, wirtschaftlicher, sozialer Gedanken durch den Kopf, die mit dem Steuerzahlen nur sehr indirekt etwas oder gar nichts zu tun haben.
Ich würde mich freuen, in Zukunft von Dir und allen anderen, die mich aufs Steuerzahlen reduzieren wollen, wieder als vollwertige Person respektiert zu werden.
liebe Grüße aus Hamburg
Eckhard Supp
Liewber Eckhard,
AntwortenLöschenich werde das berücksichen! Künftig wird es heißen, wenn es um Steuerzahler geht: Eckhard Supp ausgenommen! Der zwar auch Steuerzahler ist, aber ebenso eine "vollwrtige Person", wie all die anderen Steuerzahler auch! Gut so?