Mittwoch, 16. Mai 2012
Willkommen im Schützengraben
Ich mag keine Meinungsbuttons und Resolutionen unterschreibe ich ungern. Die Welt ist voller Widersprüche, und die passen in kein Bekenntnis. Aber seit der blindwütigen Attacke auf meine Kollegen vom „Syndikat“ via Mailbombe und der versuchten Einschüchterung der Autoren, die den Aufruf „Wir sind die Urheber“ unterschrieben haben, ist mir ebenso undifferenziert zumute. Schert euch zur Hölle, ihr blasierten Nerds von Anonymous, die ihr euch von ein paar Autoren offenbar so geängstigt fühlt (wie euer Versteher von „Spiegel Online“ meint), dass ihr jedes Maß verliert! Und geht gleich mit, ihr Verfasser aparter Drohungen a la „Ich weiß schon welche Autoren in Zukunft Schwierigkeiten beim Absatz haben werden.“ Und packt die Doppelzüngigen bei den „Piraten“ mit ein, die Julias, die Eigentum „ekelhaft“, aber höchste Verlagsvorschüsse fürs Erstlingsbuch völlig in Ordnung finden. Ihr habt der Sache wirklich einen unschätzbar großen Dienst getan. Willkommen im Schützengraben.
An alle anderen: Vielleicht sollte man nach dem ersten nutzlosen Trommelfeuer jetzt wieder vernünftig miteinander reden. Die Angelegenheit ist komplexer, als die Kampflinien erahnen lassen.
Auch auf die Gefahr hin, dass sich einige meiner liebsten Autoren, Verlage oder Buchhändler düpiert fühlen: natürlich ist auch der Autorenaufruf nicht das Gelbe vom Ei und der Weisheit letzter Schluss. Mitnichten ist die Einheitsfront „Autoren, Verlage, Verwerter“ so geschlossen, wie es in unserem Aufruf ausschaut. Gewiss, Autoren geben ihre Angelegenheiten gern in die Hände von Verlagen, sie sind ja selten gute Geschäftsleute. Mehr noch: die meisten Schriftsteller sind dankbar, überhaupt einen Verlag gefunden zu haben, der ihr Werk druckt – und überglücklich, wenn er ihnen auch noch ein gutes Lektorat, ein geschicktes Marketing und gar noch ein solides Garantiehonorar anbietet (was immer seltener vorkommt). Dafür sind sie endlos loyal, unterschreiben jede Art von Vertrag, sofern ein guter Agent sie nicht daran hindert, treten ihre Rechte auf ewig und drei Tage ab (auch für noch nicht einmal angedachte, ferne Nutzungsarten) – und das mitnichten zu den „bestmöglichen“ Konditionen. Die Autoren wurden jedenfalls nicht gefragt, als die deutschen Verlage sich darauf einigten, ihnen für die digitale Fassung ihrer Bücher lediglich 20 % rüberzureichen.
Autoren und Verlage – das ist ein oft schönes, aber noch immer paternalistisches Verhältnis. Wie Autoren von ihrer Arbeit leben können, hängt auch von den Verträgen ab, die sie ausgehandelt haben. Nicht der Autor erhält (mit 6-10 %) den größten Anteil am Ladenpreis, sondern (von 40 % aufwärts) der Buchhandel.
Beim E-Book, das ja (fast) reiner Content ist, den der Autor dem Verlag meist mundgerecht als Textfile liefert, fallen Papier- und Druckkosten, Lagerhaltung, Vertriebswege, Ladenflächen weg. Damit entfallen natürlich auch Verdienstmöglichkeiten auf allen Zwischenstationen, bis hin zum Buchhändler. Kurz: Für das traditionelle Buchgewerbe vom Verlag bis zum Handel ist eine Gefahr, was Autoren eigentlich als Chance begreifen könnten. Das Internet hat einen Kontakt zwischen Autor und Leser geschaffen, der vorher nicht denkbar war.
Tatsächlich wirkt die Angst der Autoren vor dem „profanen Diebstahl“ durch Filesharing ein bisschen wie das Ablenkungsmanöver vor unbequemen Einsichten. Autoren haben nicht nur Allianzen mit Verlagen und „Verwertern“. Es sei denn, sie leben von Literaturstipendien und legen keinen Wert darauf, gelesen zu werden. Wir anderen aber haben ein enges, ja manchmal ein Liebesverhältnis zu unseren Lesern. Wie kann man da vergessen, dass es die Fans sind, die unsere Bücher herunterladen, um sie auch noch - zu lesen! Und sie laden nicht nur runter, sie rezensieren, loben und verbreiten auch. Wahrscheinlich würden sie für ihren Stoff sogar bezahlen, wenn – ja wenn der Preis nicht nur für gebundene, sondern eben auch für E-Books hierzulande nicht zu hoch wäre. Es sind die Älteren, Etablierten, die sich ihren Lesestoff lässig und völlig legal aufs teure iPad laden und sich im übrigen auch ein Hardcover leisten würden, wenn ihnen danach ist. Die Jungen – tauschen. Was wir nun klauen nennen und abmahnen wollen. Bei allem Ärger über die Umsonstgeneration: so geht’s nun auch wieder nicht.
E-Books sind in Deutschland zu teuer. Niemand, der rechnen kann, sieht ein, warum er 16.99 (also 3 Euro weniger als fürs Hardcover) für ein flüchtiges Produkt bezahlen soll, das er weder verleihen noch verschenken kann. Und dann noch der erhöhte Mehrwertsteuersatz, auf den sich die Verlag eingelassen haben – als ob etwas, das nicht zwischen zwei Pappdeckeln liegt, keine Kultur sei! Geben wir’s doch zu: das sind prohibitive Preise, mit denen Verlage und Autoren noch ein bisschen herauszögern wollen, was auf sie zukommt: das, was sich in den USA bereits ankündigt. Nein, DAS Buch wird nicht untergehen. Aber seine digitale Form wird zunehmen. Das trifft den Buchhandel. Das trifft Verlage, deren Ausstattung noch überwiegend auf das Buch in seiner handlichen Form ausgerichtet ist und deren Overheadkosten entsprechend hoch sind. Und das trifft die Autoren, sofern es keine Klarheit über Bezahlsysteme gibt, über einen vernünftigen Kopierschutz und über eine Preisgestaltung, die die Zahlungswilligkeit der Konsumenten unterstützt. Und, ja: auch das Verleihen von digitalen Inhalten muss künftig möglich sein – ohne damit die „Contentproduzenten“ zu enteignen.
Ob man dazu gleich ein neues Urheberrecht benötigt, also wieder mal an den Staat appellieren muss? Vielleicht sollten sich erst einmal die unmittelbar Beteiligten am Spiel zusammensetzen. Das wäre wichtiger, als sich auf den unwürdigen Streit einzulassen, den einige Netzanonyme uns aufnötigen wollen. Schließlich gibt es längst intelligentere Ansprechpartner, die – so steht es bei „Wir sind die Bürger“ – die Hand ausstrecken.
Gut möglich, dass Autoren zukünftig vermehrt den direkten Kontakt zu ihren Lesern suchen – nicht nur amazon lockt mit attraktiven Konditionen. Diese Möglichkeit an sich verbessert ihre Verhandlungsposition. Und deshalb darf es bei Ergebenheitsadressen an Verlage und „Verwerter“ nicht bleiben. Es braucht ein neues Bündnis, das den unsichtbaren Dritten nicht ausschließt, der, auch wenn man ihn als Autor manchmal verfluchen will, weil er so widerspenstig ist, der Wichtigste bleibt: der Leser.
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Der Unterschied zwischen Papier- und E-Buch ist nicht ganz so gross, wie man es sich auf den ersten Blick vorstellt. Leider habe ich noch keine wirklich gute Quelle gefunden, die die Unterschiede aufrechnet, ausser: http://www.elektronische-buecher.net/artikel/kosten-fuer-e-books und http://www.digitalbookworld.com/2012/consumers-upset-and-confused-over-e-book-pricing/ Beiden Quellen zufolge liegt der Unterschied zwischen 10% und 50%. Damit wären ja die Verdopplung des Autorenanteils gerechtfertigt. Man kann sich natürlich über die Höhe des Anteils insgesamt streiten oder noch besser Amazon und Ebooks verteufeln sowie sie für alles verantwortlich machen was zur Zeit falsch läuft. Amazon aber bietet seinen Autoren 35% für Ebooks an, die direkt über die Kindle veröffentlicht werden.
AntwortenLöschenEs ist also auch hier, wie Sie so treffend schreiben, komplizierter als mancher es darstellt.
Danke, Christian Bell. Ich suche verzweifelt nach einer verlässlichen Kalkulation. Sicher: Papier- und Druckkosten sind vielleicht nicht ausschlaggebend, aber wie steht es mit Lager- und Vertriebskosten?
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