Montag, 22. Mai 2017

Gerechtigkeit! Ein Ruf wie Donnerhall.



Gerechtigkeit! Wer will sie nicht?
Schon deshalb zieht die SPD mit Martin Schulz unter diesem Banner in die Schlacht. Ein Kampf für das, was alle wollen – das kann doch gar nicht schief gehen!
Das Problem mit der Gerechtigkeit ist allerdings seit jeher, dass jeder etwas anderes damit meint. Das, was die alte Klientel der SPD darunter versteht, spricht die Partei jedenfalls nicht an: zum Beispiel die Entlastung gerade der Haushalte mit mittlerem Einkommen vom Zugriff eines Staates, der sich via kalter Progression mit jedem Hinzuverdienst bei ihnen über die Maßen bedient.
Derzeit verzeichnet der deutsche Staat milliardenschwere Mehreinnahmen, zuzüglich zu den bereits vorhandenen. Ein Grund ist die gute Konjunktur, ein weiterer die niedrigen Zinsen – die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat den Fiskus mittlerweile um fast eine Viertelbillion Euro entlastet. Niedrige Zinsen sind prima für Schuldner, aber schlecht für Sparer. Dazu aber gehören genau jene Leute, die einst zur Stammgefolgschaft der Sozialdemokraten zählten, ganz zu schweigen von all denen, die man für Wahlerfolge erst noch gewinnen muss. Auch die wissen, dass das schöne Geld nicht vom Himmel gefallen ist, sondern von den Steuerzahlern aufgebracht wurde.
Doch die SPD drückt sich davor, über Steuerentlastungen auch nur zu sprechen. Und Martin Schulz hat erst Recht anderes vor. Sein Schulterschluss mit dem frisch gewählten französischen Staatspräsidenten Macron weist die Richtung: das Geld wird dringend gebraucht. Wofür? Ist doch klar: um Frankreich unter die Arme zu greifen. Wegen Europa, wie Schulz die Europäische Union nennt. Und um den Rechtspopulismus zu bekämpfen. Auch das leuchtet schließlich jedem ein, oder?
Ja, man muss nur die Gefahr von Rechts bemühen, und schon ist der Bürger fügsam. Glaubt man. In Wirklichkeit verbirgt sich hinter mancher Warnung vor der realen (und der aufgebauschten) Gefahr die Verdrängung hausgemachter Probleme. Nicht nur das konservative Lager, vor allem die klassische Linke ist schon bei der Wahl in den Niederlanden gewaltig abgestraft worden. Und nun auch in Frankreich. Emmanuel Macron ist keineswegs der strahlende Sieger angesichts der großen Zahl der Wähler, die sich, wenn schon nicht für Le Pen, fürs Nicht- oder Ungültigwählen entschieden haben.
Seine Pläne einer Europäisierung von Sozialleistungen und eigener Steuerquellen für die EU sind insbesondere für Deutschland keine gute Nachricht, sie laufen auf eine Transferunion hinaus, die naturgemäß das leistungsfähigste Land am meisten belastet. Denn an echte Reformen, die Frankreich bitter nötig hat, traut sich auch Macron nicht heran.
Glaubt man in der SPD wirklich, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, über einen europaweiten Sozialstaat nachzudenken? Womöglich gar auf dem Niveau der deutschen Leistungen? Wo doch die anhaltende Zuwanderung schon jetzt an die Grenzen des deutschen Sozialstaats geht, der nun mal auf eine nationalstaatlich begrenzte Zahl Berechtigter beruht?
Alle, die über die Probleme unkontrollierter Zuwanderung im Geiste der Menschenliebe nicht reden wollen, vergessen eines: offene Grenzen und sozialstaatliche Leistungen für alle gehen nicht zusammen.
Vor allem aber haben die Sozialdemokraten um Schulz versäumt, ein Problem aufzugreifen, das eine Mehrheit der Menschen beschäftigt, die sich nunmal nicht als sozial Benachteiligte mit Gerechtigkeitsdefizit fühlen. Es nennt sich „Sicherheit“. Der Kontrollverlust des Staates in der Zeit der offenen Grenzen nach dem Herbst 2015 ist im Gedächtnis geblieben. Wer alles nach Deutschland gekommen ist, aus welchen Gründen und mit welchen Zielen, ist bis heute nicht gewiss. Dass sich sogar ein Bundeswehrsoldat erfolgreich als syrischer Flüchtling hat ausgeben können, wird nicht dadurch in Vergessenheit gebracht, dass nun eifrig nach Rechtsextremisten in der Bundeswehr gefahndet wird. Dass die SPD Migrationsproblematik und Kontrollverlust des Staates nicht thematisieren will, dürfte nicht nur ihren Anhängern wenig Freude bereiten.

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Gewiss: das Lager der Sozialdemokratie schrumpft europaweit, das ist kein deutsches Problem. Ein Trost aber ist das nicht.

http://www.ndr.de/info/sendungen/kommentare/SPD-muss-muss-mehr-bieten-als-nur-Gerechtigkeit,sozialdemokratie102.html

1 Kommentar:

  1. Sehr geehrte Frau Stephan, warum nennen Sie "Martin Schulz unter diesem Banner in die Schlacht", die anstehende Bundestagswahl eine Schlacht? Hätte ich von einer Historikerin nicht erwartet und mir gewünscht, daß Sie wissen was eine Schlacht ist, zumindest dem Wortstamm nach! Eine Wahl kann doch keine Schlacht sein, höchstens eine Farce!
    Mit freundlichem Gruß
    Wolfgang Martin

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