Dienstag, 15. Oktober 2019

Die Türen schließen


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Man rühme und lobe Türen, feste, solide, geschlossene Türen. Sie haben dafür gesorgt, dass ein Massaker in einer Synagoge in Halle an der Saale ausblieb. Sie schützten Gläubige, die Jom Kippur feierten, den heiligsten Tag des jüdischen Kalenders, vor der Mordlust eines Irrsinnigen, den offenbar nicht nur Hass auf Juden antrieb. Quälend lange Minuten mussten sie um ihr Leben fürchten, bis die Polizei kam. Eine vor der Synagoge zufällig vorbeikommende Frau sowie der Kunde einer Dönerbude aber mussten ihr Leben lassen. Ein Alptraum. Nein, die Wirklichkeit.
Manch einem fehlen da die Worte, der politischen Klasse natürlich nicht. Trauer, Wut, Betroffenheit: wir kennen die Floskeln, aber immerhin zeigte man Solidarität mit der jüdischen Gemeinde, selbst die sonst so zurückhaltende Bundeskanzlerin ließ sich blicken. Um die beiden Ermordeten aber trauerten zuerst die Betenden der Synagoge.
Wie wäre es mit ein wenig mehr Zurückhaltung auf Politikerseite, oder wenigstens eine Zeit der Besinnung vor der allfälligen „Einordnung“? Denn während ansonsten gern gewarnt wird vor „Instrumentalisierung“ eines „Einzelfalls“, ist man diesmal mit Generalverdacht und Ausdeuten der „geistigen Brandstifter“ schnell dabei. Gemeint ist, natürlich, der politische Gegner: die AfD.
Prima, wenn man derart von eigenen Versäumnissen ablenken kann. Springer-Chef Matthias Döpfner nennt das „Verharmlosung“ und sogar „Systemversagen“: Wenn in Limburg ein „Allah“ rufender Mann einen LKW stiehlt und damit acht Personen verletzt, sprechen Politiker von einem verwirrten Einzeltäter. Ein Syrer, der die Absperrung einer Synagoge überwindet und „Allahu Akbar“ ruft, während er ein Messer zieht, wird einen Tag später freigelassen. Was für ein Zeichen an Nachahmungstäter. Und als Kuwait Airways sich weigerte, jüdische Passagiere zu befördern, kam hierzulande niemand auf die Idee, der Airline die Lande- und Startgenehmigung zu verweigern. Wie war das noch mit der „besonderen deutschen Verantwortung“?
Auch jene „geistigen Brandstifter“, die mit antisemitischen Parolen durch Berlin ziehen, wie Palästinenser und Islamisten zum Al-Quds-Marsch am 1. Juni in Berlin, laufen offenbar unter dem Radar unserer Politiker, ebenso der importierte Antisemitismus vieler muslimischer Migranten, denen der Judenhass seit Kindesbeinen eingetrichtert worden ist. Da aber fragt niemand nach den gesellschaftlichen Ursachen oder den geistigen Brandstiftern oder dem ziemlich globalen Netzwerk, das diesen Antisemitismus stützt.
Völlig klar: es gibt Antisemitismus in Deutschland, wie überall auf der Welt, ein Wunder, wenn es anders wäre. Es gibt ohne Zweifel Rechtsextremisten in Deutschland. Und es gibt Menschen, die ihren Wahn gewalttätig ausleben. Nach allem, was man über den Täter von Halle weiß, worüber er selbst in einer Art Manifest und per Video Auskunft gibt, handelt es sich um einen psychisch extrem derangierten Mann. Ist er nun der Beweis dafür, dass es „dunkel wird in Deutschland“, wie die „Welt“ titelte, ja, dass ganz Deutschland „in großer Gefahr“ ist? Muss man ihn als Teil einer rechtsextremistischen Verschwörung sehen, steht hinter ihm ein national agierendes Netzwerk?
Ehrlich gesagt: Daran darf man zweifeln, wenn man sich das selbst gebastelte Waffenarsenal vor Augen führt.
Doch wäre es nicht bequemer, wenn er Teil von etwas Größerem wäre? Denn ein rechtsextremes Netzwerk könnte man womöglich aufspüren und ausschalten, ein deutsches Netzwerk zumal brächte einen nicht in Konflikt mit den eigenen Idealen namens „bunt und vielfältig“. Das, scheint mir, steckt hinter der Suche nach den „gesellschaftlichen Ursachen“: man möchte den Hebel finden, mit dem man all diesen Schrecken verhindern kann. Doch das kann nicht gelingen – es sei denn, man setzt auf Gedankenpolizei und Überwachungsstaat.
Denn man wird kaum jemanden daran hindern können, seine Vorbilder bei anderen Wahnwitzigen zu suchen. Ebenso wenig kann man übrigens jemanden daran hindern, aus dem Koran die Aufforderung zu gewalttätigem Menschenhass herauszulesen.
Was hilft? Keine Lichterketten, keine Demonstrationen und Betroffenheitsrituale. Manchmal solide Türen, noch solidere als die der Synagoge in Halle. Vor allem Polizeischutz und die Anwendung geltender Gesetze.




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