Mittwoch, 2. Oktober 2013

Ach, die FDP. Ach ja.

Vergangen, vergessen, vorüber und vorbei. Die FDP hat bekommen, was sie verdient. Denn nicht erst jetzt fehlt im Bundestag eine liberale Stimme. Wir Liberalen und Libertären sind schon lange heimatlos und leiden nicht erst seit gestern darunter, dass Liberalismus hierzulande mit der FDP identifiziert wird – zu Unrecht.
Oder soll man vielleicht doch ein klein wenig Mitleid haben? Denn jetzt mauert ihr auch noch die neue Führungsmannschaft, welche die Partei nach dem tiefen Fall wieder zur Sonne, zur Freiheit führen soll, den Grabstein breit. Als ob man Koalitionstreue nachholen müsste, sollen die wenigen verbliebenen Eurokritiker in der Partei endgültig mundtot gemacht werden. Man wolle ja nicht der Alternative für Deutschland hinterherlaufen. Natürlich nicht – man hat ihr schließlich den Weg bereitet.
Denn die FDP hatte ihre Chancen, der Freiheit eine Gasse zu schlagen – und hat eine nach der anderen verspielt. Statt dagegen zu halten, wenn die anderen Parteien ihre Kuschelparolen ausgeben, hat sie sich angebiedert. „Mitfühlender“ Liberalismus – ja herrje, haben wir das wirklich noch gebraucht angesichts des Gesumses und Gesäusels unserer Menschlichkeitsspezialisten von links bis CDU? Das letzte ehrliche Wort, das Guido Westerwelle ganz schnell wieder zurücknahm, um fortan den sprachlosen Außenminister zu geben, war das von der „spätrömischen Dekadenz“. Recht hatte er: das System der Wahlgeschenke soll, wie Brot und Spiele, das Volk ruhigstellen. Die Staatsschuldenkrise verdankt sich genau jener Politik, in der Stimmenkauf das politische Projekt ersetzt.
Doch die FDP blieb spätrömisch bis zum bitteren Ende, als ob Ruhigstellen die erste Bürgerpflicht wäre. Wäre sie eine liberale Partei gewesen, hätte sie der Debatte über die Risiken der Eurorettungspolitik Raum und Stimme gegeben und damit die „Alternative für Deutschland“, über die sie jetzt so bitter klagt, unnötig gemacht. Eine liberale Partei hätte den permanenten Rechtsbruch zum Thema gemacht, auf dem die „Eurorettung“ basiert und auf Vertragstreue, Eigenverantwortung und das Haftungsprinzip gepocht. Liberal wäre gewesen, auf dem Budgetrecht der frei gewählten Abgeordneten des (nationalen) Parlaments zu beharren, statt das Geld der Bürger irgendwelchen durch nichts legitimierten (europäischen) Instanzen auszuliefern. Liberal hieße, sich gegen eine Energiepolitik zu stemmen, die durch gigantische Subventionen den Wettbewerb verzerrt, die hierzulande weitgehend nutzlose Photovoltaik zugunsten innovativer Technik privilegiert und Umverteilung von unten nach oben begünstigt.
A propos Umverteilung: Es mag ja ungerecht sein, dass sich die FDP nie vom Ruch hat freimachen können, sie sei eine gemeinwohlfreie Partei der Besserverdiener und nur daran interessiert, das Wohl ihrer reichen Lobby zu mehren. Die Gegenfrage sei gestellt: warum hat es in dieser Partei keiner verstanden, das Lob all jener zu singen, die dafür sorgen, dass fast die Hälfte aller Bürger keine Lohn- oder Einkommenssteuer zahlen muss? Man könnte das schließlich eine Leistung nennen, die sich sehen lassen kann. Reichenschelte betreiben schon die anderen, für eine liberale Partei aber gibt es mehr als einen Grund, die hohe Steuermoral der Mehrheit der „Besserverdienenden“ zu rühmen, als der man im übrigen hierzulande schon als Handwerker oder mittlerer Angestellter gilt. Das Keifen gegen Steuerzahler, die man glaubt ducken und beleidigen zu müssen, statt sie zu ehren und zu preisen, ist die hierzulande vorherrschende Tonlage. Kühe, die Milch geben sollen, werden besser behandelt.
Diejenigen, die keine Steuern zahlen, brauchen keine Extralobby, die haben sie bereits – in einem Staat, in dessen Haushalt der größte Posten das Sozialbudget ist, weiß man, wie man durch Abhängigkeit Treue erzielt.
Womit wir bei einem liberalen Kernprojekt wäre: der Abwehr eines Staates, der seine Eingriffe Fürsorge nennt. Was könnte liberaler sein, als sich gegen die anmaßende Einmischung des Staates in die private Lebensführung der Bürger zu wehren? Wer sich nicht als hilfloses Wesen fühlt, das vom Staat gepäppelt und von lächelnden Politikdarstellern in den Arm genommen werden muss, wer selber weiß, was ihm gut tut, und keine Anweisung braucht, wie man „richtig“ lebt, hat hierzulande keine Lobby. Hat aber mittlerweile einen Verdacht: Wer nichts Substantielles zu sagen hat, bläht sich eben moralisch auf. Die Fürsorgerhetorik der Parteien soll das große Nichts verdecken, das sich sonst gähnend auftäte.
Nach solcher Bedeckung einer Blöße scheint großer Bedarf zu herrschen. Auch die Grünen halten vom Bürger wenig, vom Staat umso mehr. Mit Jürgen Trittin ist man zu den autoritären Traditionen aus K-Gruppenzeiten zurückgekehrt. Dabei hat es ja einst ein durchaus liberales Intermezzo gegeben, befeuert durch das Bündnis mit Bürgerrechtlern aus der DDR. Tempi passati - auch der wirtschaftsliberale Flügel der Partei um Margareta Wolf oder Oswald Metzger hat sich längst verabschiedet. Die Grünen hatten der heiklen Eurorettungspolitik der Kanzlerin nichts entgegenzusetzen, begeisterten sich mit protestantischem Eifer für Steuererhöhungen und haben ihre städtisch-lockere Klientel endgültig mit dem „Veggie“-Day vergrault. Was, bitte, hat eine Partei in den Kantinen der Republik zu suchen?
Fast tragisch könnte man nennen, dass die Partei ausgerechnet, was die „Energiewende“ betrifft, jedes Gespür für das verloren hat, was ihr doch sonst so heilig ist: Nachhaltigkeit, Natur und Umwelt. Eine plan- und hirnlose Energiepolitik, die dazu führt, dass der auf Kosten der Stromkunden hochsubventioniert erzeugte Strom verschenkt werden muss, ist sicherlich alles andere als ressourcenschonend. Dabei sind die materiellen und ideellen Kosten noch gar nicht mitgerechnet, die Vermaisung und Verspargelung der Landschaft auf Kosten von Flora und Fauna erzeugen. Merke: Die Geldbauchunke und Hufnasenfledermaus haben immer nur als Vorwand gedient. Wenn es dem roten Milan und unzähligen Zugvögeln ans Gefieder geht, bleiben die Grünen völlig ungerührt. Hauptsache, das böse Atom ist erledigt. Doch noch nicht einmal diese Trophäe kann die Partei sich anheften. Dieser Drache ist von der Kanzlerin erschlagen worden.
Was tun also ohne eine Partei, die man liberal nennen könnte? Ach, man musste ja lange schon ohne auskommen. Souveräne Bürger brauchen keine Lobby. Ansonsten: bei der Europawahl die „Alternative für Deutschland“ wählen. Damit ärgert man unter Garantie alle.


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