In Sachen Bischof von Limburg hat der Protestantismus gesiegt oder das Proletariat. Passend dazu jene Worte, die Verachtung regelrecht herausprusten: Prunk und Pracht, protzen und prassen. Also: Pranger.
Vom fröhlichen Agnostiker bis zum strengen Lutheraner scheinen sich alle einig zu sein: der Katholik habe es an Bescheidenheit fehlen lassen, als er die Bischofsresidenz des hübschen Städtchens zu einem Schmuckstück ausbauen ließ – zu Kosten, die mittlerweile angeblich auf das zehnfache des ursprünglich vorgesehenen Betrags gestiegen sind.
Nun ist jener Bischof, ein schmales Männchen, gewiss kein Sympathieträger. Doch wie auch immer er gesündigt hat: niemand scheint ihn kontrolliert zu haben. Das Versagen sämtlicher kritischer Instanzen ist ein Krimi für sich. Wer sich da im Nachhinein unschuldig gibt, verhält sich unredlich.
Was jedoch am meisten irritiert: die öffentliche Empörung übersteigt bei weitem den Schaden. Denn der Bischof hat keine Steuergelder veruntreut, Vorwürfe können ihm höchstens seine Kirche und ihre Gläubigen machen. Woher also die Aufregung, die so auffällig fehlt, wenn es um „demokratisch“, also von der öffentlichen Hand geplante Bauwerke geht? Bei denen ist es üblich, dass die Kosten explodieren, was, wenn es nicht vorsätzliche Irreführung ist, zumindest darauf schließen lässt, dass Politik und Verwaltung Planung und Kostenkalkulation verlernt haben.
Der Schaden, sofern einer dem Bistum entstanden ist, geht im Grunde weder Politik noch Nichtkatholiken etwas an. Womöglich speist sich also die allgemeine Erregung aus tieferen Quellen, was so sprechende Worte wie „Protz“ und „Prunk“ nahelegen. Sie lassen vor unseren Augen ein Sittengemälde entstehen, in dem Klerus und Adel enthemmt verprassen, was das Volk mit Fleiß erschaffen hat. Und so führen sich all die Empörten und Selbstgerechten auf wie weiland im 18. Jahrhundert die Jakobiner, die im Namen der Tugend zum Tyrannensturz aufrufen. Dabei sieht ausgerechnet Tebartz-van-Elst nicht im Entferntesten aus wie die Karikatur des versoffenen und verfressenen Kirchenmannes. Doch wem, denken offenbar die Erregten, ist schon zu trauen, der sich eine freistehende Wanne ins Badezimmer stellen und goldglänzende Türklinken verbauen lässt?
Ohne mich zum Anwalt der katholischen Kirche machen zu wollen: an diesen Bildern und an dieser Empörung stimmt etwas nicht.
Etwa, was das Protzen und Prunken betrifft: wer, bitte schön, wäre geeigneter für die Entfaltung von Pracht als die katholische Kirche? Ihre Mönche und Bischöfe haben der Nachwelt die schönsten Dinge hinterlassen: Kathedralen und Champagner, um es mal auf diesen Punkt zu bringen. Bleiben wir bei den Kathedralen, diesen großartigen Bauten zu Ehren Gottes: nichts als Protz und Prunk und Verschwendung, nach den Maßstäben der Empörten. Doch – wollen wir sie missen? Ein Ort ohne Gotteshaus ist eine Ansiedlung ohne Mitte – und ohne Geschichte. Es sind nunmal die Adelspaläste, Bischofssitze und Bürgerhäuser, die Europa noch heute prägen, während die Behausungen der kleinen Leute selten ein Menschenleben überdauerten. Sollen wir deshalb auf die Zeugnisse früherer Prachtentfaltung verzichten?
Mag sein, dass sich dieser Bischof und jener Papst mit prächtigen Bauten ein Denkmal setzen oder seine Macht demonstrieren wollte. Doch sogar den sichtlich Eigensüchtigen darf man unterstellen, dass sie über den Tag hinaus gedacht haben. Kirchen und Paläste waren nicht für nur ein Menschenleben gedacht, sie sollten überdauern, bis in alle Ewigkeit, amen. In Zeiten, in denen Zweckarchitektur die Innenstädte veröden lässt und Reihenhäuser armselige Lebensabschnittshüllen geworden sind, die keinen Charakter mehr haben, ist das vielleicht einen Gedanken wert: dass es im Leben auch darauf ankommen könnte, etwas Bleibendes zu schaffen und zu hinterlassen.
Der Limburger Bischof hat jedenfalls ein gutes Werk für Limburg und seine Besucher getan, in dem er mit beträchtlichem Aufwand die prächtige Vikarie aus dem 15. Jahrhundert restaurieren ließ. Ob die Neubauten der Residenz Bestand haben, unterliegt einem ästhetischen Urteil, keinem moralischen oder buchhalterischen.
Doch das Spektakuläre des Neubaus scheint überwiegend unter der Sichtbarkeitsgrenze zu liegen. Und die Schießschartenoptik der neuen Kapelle lässt befürchten, dass sie in hundert Jahren niemanden mehr berührt. Dieses Urteil aber müssen wir der Nachwelt überlassen. Und der katholischen Kirche, sofern es sie und ihr Vermögen dann noch gibt.
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Die Kritik der Medienhetze erklärt sich zu einem Großteil an der dezidiert konservativen Haltung des Bischofs. Siehe die letzten Abschnitte dieses Artikels aus dem BK: http://www.bayernkurier.de/zeitung/artikel/ansicht/10673-verschwendungssucht-in-zeiten-der-bescheidenheit.html
AntwortenLöschen"... an diesen Bildern und an dieser Empörung stimmt etwas nicht."
AntwortenLöschenIhre Feststellung teile ich.
Was ist es genau, was die Wogen der Empörung derart hochschwellen lässt?
Sein kritikwürdiger Umgang mit Geld allein kann es kaum sein.
Ist es seine konservative Haltung, die im vorigen Kommentar bereits angesprochen wurde?
Aber auch das allein kann doch nicht die Aufregung um Bischof Tebartz-van Elst erklären.
Sie selbst haben mögliche Gründe angeführt.
Dennoch, es ist und bleibt mir ein Rätsel.
Ich darf hier sagen, dass ich Katholikin bin und ich sage auch, dass ich den Missmut vieler Bürger, die selbst scharf rechnen müssen, angesichts eines solchen Betrages nachvollziehen kann.
Aber der mehr als unsensible, ja beleidigende, öffentliche Umgang mit dem vermeintlichen "Delinquenten" ist äusserst fragwürdig.
Franz-Peter Tebartz-van Elst ist auch Mensch!
"Der Schaden, sofern einer dem Bistum entstanden ist, geht im Grunde weder Politik noch Nichtkatholiken etwas an."
AntwortenLöschenSolange die Kirche vom Steuerzahler massiv mitfinanziert wird, hat dieser das Recht was mit seinem Geld passiert.
" Dabei sieht ausgerechnet Tebartz-van-Elst nicht im Entferntesten aus wie die Karikatur des versoffenen und verfressenen Kirchenmannes. "
Man tut ihm unrecht, das ist auch meine Meinung. Häufig wird das Bild gezeigt, auf dem TvE mit einem Oldtimer zu sehen ist, der ihm gar nicht gehört.
Diese Art der Berichterstattung halte ich für unseriös.
Allerdings hat seine Lüge vor laufender Kamera und die folgende eidesstattliche Erklärung nicht gelogen zu haben, die wiederum eine Lüge war, wenig dazu beigetragen, die moralische Integrität der konservativen Katholiken zu untermauern.
" Es sind nunmal die Adelspaläste, Bischofssitze und Bürgerhäuser, die Europa noch heute prägen"
Wie hätte Jesus wohl gehandelt? Als Förderer prunkvoller Bauten ist er gemäß der Bibel nicht in Erscheinung getreten.
... und was überhaupt noch nicht mit einem einzigen Wort erwähnt wurde: die Gelder für die Renovierung/Restaurierung der Bausubstanz, das "Protz-Badezimmer" und alle anderen von der Presse so genüsslich breit getretenen Aufwendungen hat sich Herr Tebartz-van Elst nicht etwa in die eigene Tasche gesteckt sondern damit lokale Handwerksbetriebe bezahlt und so die heimische Wirtschaft gestärkt.
AntwortenLöschenVon diesen Geldern sind mit Sicherheit etliche Arbeitsplätze in der Region gesichert worden. Wer so etwas tut, sollte gelobt werden, nicht verdammt. Regt sich irgendwer über den Bischof von Stuttgart auf, der rund 40 Millionen für ein architektonisch höchst fragwürdiges Bauwerk ausgegeben hat? Oder hat sich bis jetzt irgendeiner aufgeregt?
Nein! Warum auch? Alles wurde von Kirchengeldern bezahlt! Die öffentlichen Haushalte blieben völlig außen vor. Ganz anders als z.B. bei Vorhaben wie Flughafen Berlin, Bahnhof Stuttgart, Konzerthaus Hamburg, beleuchteter Kröten-Tunnel am Flughafen Münster, massenhaft sinnfrei in die Landschaft gestellte Brückenbauwerke usw. usw. Die Liste ist unendlich. Da aber regt sich die Journaille nicht auf - höchstens mal eine kleine Pseudo-Empörung.
Das Einzige, was man dem Bischof von Limburg vorwerfen kann, ist, dass er höchst ungeschickt vorgegangen ist indem er nicht schon gleich bei den ersten Vorwürfen in die Offensive gegangen ist und alle Tatsachen offen gelegt hat.
Zitat:
AntwortenLöschen"Wie hätte Jesus wohl gehandelt? Als Förderer prunkvoller Bauten ist er gemäß der Bibel nicht in Erscheinung getreten."
Wie er gehandelt hätte weiß ich auch nicht.
Armut oder Prasserei?
Lukas 7.33-34
Denn Johannes der Täufer ist gekommen und aß kein Brot und trank keinen Wein; so sagt ihr: Er ist besessen.
Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; so sagt ihr: Siehe, dieser Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!
Wenn schon Jesus es keinem Recht machen konnte, so stoße ich als Protestant, mit einem gut gekühlten Köstrizer, auf die Verfasserin des obigen Artikels an, einfach köstlich zu lesen. Ach ja und das Bier, wer hat's erfunden? Also dann noch ein Prosit auf die mittelalterlichen Mönche.