Es ist schon verblüffend: Unser Staat hat, dank sprudelnder Steuerquellen, Geld wie Heu und kriegt doch den Kanal nicht voll. Auch diese Regierung wird es wieder nicht schaffen, was Angela Merkel seit über zehn Jahren verspricht: die kalte Progression abzuschaffen, eine ungesetzliche Bereicherung des Staates am Geld seiner Bürger, die wohl nirgends so brav sind wie hierzulande. Das könnte man langsam fast schon beunruhigend finden.
Deutschland besetzt, was Steuern und Abgaben betrifft, international den Rang zwei. Sollte damit nicht der Spielraum gegeben sein, damit der Staat seinen hoheitlichen Aufgaben gerecht wird, indem er etwa für eine funktionierende Infrastruktur sorgt? Das deutsche Straßennetz ist in einem erbärmlichen Zustand, obwohl Autofahrer über die KfZ-Steuer und an den Tankstellen bereits jetzt mehr als nur ihr Scherflein geben. Aber da geht noch was: Wenn man ihnen schon keine Autobahngebühr aufbrummen kann, dann, so ein weiterer innovativer Beitrag unserer Politiker zur Wertschöpfung, könne man doch den demnächst auslaufenden Soli einfach umwidmen. Solidarität den deutschen Autobahnen!
Der Bürger staunt – oder auch nicht. Es wäre schon ein Wunder, wenn der Staat auf eine einmal erfundene Geldquelle einfach so verzichten würde. Es gibt doch so viel Schönes und Gutes, was man mit all den Steuergroschen anfangen kann! Andrea Nahles etwa braucht Geld für die gut verdienende Facharbeiterklientel, der sie die Rente mit 63 (oder schon mit 61) beschert. Das ist zwar, angesichts des wachsenden Lebensalters und des absehbaren Scheiterns des umlagebasierten Rentensystems unlogisch und, rechnet man die Chose einmal durch, ein eklatanter Betrug an denen, die noch in die Rentenkassen einzahlen, aber das stört eine Ministerin nicht, die sich mit guten Taten ins Buch der Geschichte einschreiben will. Was brauchen wir Logik, wenn es um „Gerechtigkeit“ geht? Andrea Nahles hat es nicht mit kalten Zahlen, ihr spricht die soziale Wärme geradezu aus dem Gesicht. Gerecht ist, was gut tut! Die Zeche wird später gezahlt. Von anderen.
Es ist immer wieder verblüffend, wie umstandslos der Bürger vor allem als Steuerbürger gesehen wird, dem dafür übrigens keine Geste der Dankbarkeit zufließt, sondern verschärftes Misstrauen. Unsere Politiker scheinen zu glauben, dass ihr Anspruch aufs Portemonnaie der Untertanen alle stets und ständig daran denken lässt, wie sie sich diesem Rollgriff entziehen können. Aber nein: die meisten tun mehr oder weniger resigniert ihre Pflicht, während ihnen die Finanzbehörden mit stetem Misstrauen begegnen. „Steuerehrlichkeit“ wird mit dem Pranger erzwungen, der jedem droht, der sein Geld dort unterbringt, wo man freundlicher zu ihm ist: etwa in der Schweiz, wie Alice Schwarzer und Ulli Hoeneß.
Die Frage sei langsam erlaubt, was schlimmer ist, der mit missionarischem Eifer als „Steuersünder“ Gebrandmarkte – oder all die Verschwender, die mit dem Steuergeld ihrer Bürger nicht eben verantwortlicher umgehen, denn auch sie entziehen dem Staat Geld, das der doch so dringend braucht: um Gutes zu tun. Oder, wie die Zyniker meinen, um Wahlgeschenke zu verteilen.
Ein einfaches Rechenexempel zeigt, in welchen Dimensionen Steuergeld verbrannt wird. In Brandenburg liegt eine Großbaustelle, die einmal Flughafen werden soll, worauf derzeit niemand mehr zu hoffen wagt. Allein der monatliche Unterhalt des Torsos verschlingt um die 17 Millionen Euro, nicht gerechnet entgangene Einnahmen von schätzungsweise 14 Millionen. Was sind dagegen die paar von Ulli Hoeneß hinterzogenen Milliönchen? Peanuts. Sie reichen noch nicht einmal für einen Monat BER.
Wie lässig mit dem Geld der Bürger umgegangen wird, zeigt übrigens auch das Gesetz über die erneuerbaren Energien. Es beschert Eigenheimbesitzern mit chinesisch subventionierten Solarpaneelen, den Verpächtern sauer Äcker und den Betreibern ältlicher französischer Atomkraftwerke in Grenznähe zu Deutschland satte Gewinne, tut aber nichts von dem, was es tun soll, da die Infrastruktur an Speicherkapazitäten und Überlandleitungen fehlt, um den erzeugten Strom dort und dann unterzubringen, wo und wann er gebraucht wird. Das ist vielleicht der größte Schildbürgerstreich unserer Politiker. Vielleicht sollte man endlich die Steuerverschwender zu den wahren Steuersündern erklären.
Die Meinung, NDR-Info, 4. Mai 2014
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Klingt noch sehr zahm, aber Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Schreiben Sie wie hier mehr über selbstgerechte Verschwender und weniger über naive Sündenböcke wie die "Qualitätspresse".
AntwortenLöschenEs ist kein Schildbürgerstreich - es ist der Morgenthau-Plan von hinten durch die kalte Küche.
AntwortenLöschenMan nannte das früher auch Schmutzkonkurrenz.
-Hildesvin-