„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Die Kanzlerin will, auch, wenn der Weg sich als Sackgasse erweisen sollte. Doch mittlerweile ist sie ziemlich allein unterwegs in die falsche Richtung.
Dass sich das Griechen-Drama nun schon seit fünf Jahren dahinschleppt, unter Missachtung aller Regeln, die der begnadete Drehbuchschreiber Aristoteles für ein spannungsreiches Geschehen einst entwickelt hat, ohne Höhepunkt, ohne Läuterung, ohne Ende, verdankt sich nicht zuletzt dem zähen Willen von Angela Merkel. Womöglich macht ihr das sogar Spaß, das Agieren in aussichtsloser Lage: Die Kanzlerin liebt das Verhandeln, egal, worüber – und womöglich auch egal, zu welchem Ende.
Und so wird in Sachen Griechenland weiter und weiter getagt und verhandelt, ohne vorzeigbares Resultat, außer einem: der griechischen Regierung gelingt es, die angeblich mächtigste Frau der Welt nach Strich und Faden vorzuführen. Hätten wir hierzulande soetwas Altmodisches wie Nationalstolz, müssten wir uns schämen.
Wie sagte schon im Januar Finanzminister Varoufakis: „Was immer die Deutschen sagen – sie werden zahlen.“ Jetzt ist es Sommer und Angela Merkel hinterlässt den Eindruck, dass Varoufakis recht haben könnte. Was in jedem anderen Fall Insolvenzverschleppung wäre, mit der man sich strafbar macht, wird Griechenland erlaubt – womit sich auch die strafbar machen, die dem nicht entgegentreten.
Wie auch immer das Debakel endet – die Verluste sind schon jetzt gigantisch, mal ganz abgesehen von den materiellen: der Verlust an Vertrauen in die Regelförmigkeit politischer Entscheidungen steht vielleicht an erster Stelle. Ebenso das Vertrauen darin, dass die Kanzlerin sich ihres Amtseides erinnert.
Warum tut Angela Merkel sich das also an – und vor allem: uns allen?
Ich vermute mal: ihres Nachruhms wegen. Darum sorgen sich wohl alle Politiker, vor allem, wenn sie Kanzler sind. Sie möchten ihren Namen mit etwas Großem, mit etwas Einzigartigem verbunden sehen und nicht mit dem alltäglichen Kleckerkram normalen Regierungshandelns. So, wie Angela Merkel vor ihrer Regierungszeit angetreten ist, als Rentenreform-Angie oder Königin der Spardose, möchte sie offenbar nicht in die Geschichte eingehen, da muss schon mehr her.
Seinem Volk in Sturmflut oder Oderhochwasser beigestanden zu haben, macht sich besser, wie man an Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gesehen hat. Helmut Kohl hat im richtigen Moment beherzt nach dem Mantelsaum der Geschichte gegriffen und Deutschland zur Einheit geführt, an diesem Nachruhm ändert auch sein unschöner Abgang nichts.
Gegen solche gesamtnationalen Großtaten schmiert die Abschaffung der kalten Progression oder eine vernünftige Rentenreform ab, mit Kleinigkeiten wird man keine große Staatsmännin. Am besten ist also, man schickt sich an, die Welt zu retten. Oder wenigstens Europa.
Als Klimakanzlerin, das ist gewiss, wird Angela Merkel uns lange im Gedächtnis bleiben, spätestens dann, wenn es an den Abriss all der Windkraftanlagen geht, die dank hoher Subventionen heute auch dort stehen, wo sie wenig Nutzen bringen. Der deutsche Alleingang in Sachen „Energiewende“ wird noch in Jahrzehnten allüberall belächelt werden, während sich nur noch wenige an deutsche Ingenieurskunst erinnern. Die Chinesen haben schließlich längst dazugelernt und begnügen sich nicht mehr mit dem bloßen Abkupfern europäischer Erfindungen.
Auch der Kanzlerin Kampf gegen CO2 wird womöglich keine Ehrfurcht mehr auslösen vor dem kühnen Bemühen, das Klima zu retten, wenn sich erweisen sollte, dass „Treibhausgase“ die Welt nicht erhitzen, sondern womöglich sogar vor einer neuen Eiszeit bewahrt haben. Was also bleibt?
Richtig: Europa bzw. der Euro. Und während man sich auf Regierungsebene kaum oder nur wenig Sorgen darüber zu machen scheint, dass sich die Briten anschicken könnten, EU-Europa goodbye zu sagen, wird um Griechenland und gegen den Grexit gekämpft, als ob von der griechischen Olivenproduktion das Überleben des Kontinents abhinge.
Für dieses „höhere Ziel“ wird nicht nur Geld in unvorstellbarem Ausmaß geopfert, es wird auch die Souveränität der Parlamente in Frage gestellt. Und seit Angela Merkel, der französische Staatspräsident Francois Hollande und der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die „Rettung“ Griechenlands außerinstitutionell zu ihrer persönlichen Sache gemacht haben, dürfen sich auch alle anderen Mitglieder der Eurozone übertölpelt fühlen.
Und das alles nur, damit der Big Bang ausbleibt, bis die Amtszeit von Kanzlerin Merkel zuendegeht?
Das ist, scheint mir, ein verdammt hoher Preis für das bisschen Nachruhm.
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