Mittwoch, 6. März 2019

Parité ist nicht ok


„Parité!“ heißt der Schlachtruf der Stunde. Nun, früher nannte sich das schlicht Parität, und das neue wording erinnert ein bisschen an den abgespreizten kleinen Finger beim Zummundeführen eines Mokkatässchens. Damenhaft, eben. Aber das hat sicher nichts mit dem zu tun, worum es geht: es sollen mehr Frauen in die Parlamente einziehen, damit ihre Interessen entsprechende Berücksichtigung finden.
Also: mehr Gerechtigkeit in unseren Parlamenten! Dagegen können eigentlich nur alte weiße Männer etwas einwenden. Doch nüchtern betrachtet ist der Vorstoß, der in Brandenburg bereits Gesetzeskraft hat, auch aus Frauensicht unsinnig. Denn er baut auf zweifelhaften Annahmen auf.
Das erste Argument gegen „Parité“: ein Parlament ist kein Lobbyverein oder eine Stammesversammlung, wo jede Interessengruppe Anspruch auf Sitz und Stimme hat. Das zweite: in Deutschland steht es jeder Frau frei, einer Partei beizutreten, das ist gemeinhin der Weg ins Parlament. Bereits heute aber gibt es mehr weibliche Mandatsträger im Bundestag als ihrem Anteil in den dort vertretenen Parteien entspricht. Nebenbei widerspricht es dem Grundgesetz, wenn Menschen innerhalb der Parteien wegen ihres Geschlechts bevorzugt werden.
Es ist doch paradox: Man müsste Frauen in die Parteien zwingen, damit die gewünschte Parität entsteht. Und mit dem Quotierungsgebot wird jenen Menschen, die man soeben als „Divers“ zu respektieren gelernt hat, wieder aufgezwungen, sich im politischen Raum für eines der beiden Geschlechter zu entscheiden. Was soll das also?
Der Vorschlag von Justizministerin Katarina Barley, Parteien von der Wahl auszuschließen, die keine quotierte Liste einreichen, ist schlicht verfassungswidrig, denn er stellt die Gleichheitsforderung über die Wahlfreiheit. Einer Justizministerin sollte es eigentlich nicht unterlaufen, zu behaupten, dass Männer „Unfug“ anrichteten, den Frauen hernach „aufräumen“ müssten, wie sie über den Brexit gesagt hat (den übrigens auch 49 % der britischen Wählerinnen befürwortet haben). Man könnte das glatt für eine Diskriminierung von Männern halten.
Die neue Kampagne unterstellt, dass Frauen sich noch immer nicht frei entscheiden könnten, wenn es um politische Macht geht, dass sie noch immer Opfer seien, denen aufgeholfen werden müsse.
Schon der reine Augenschein steht dagegen. Seit Jahren wird in allen Parteien, auf allen Podien, in vielen öffentlichkeitswirksamen Gremien händeringend nach Frauen gerufen. Die Umworbenen zieren sich jedoch. Sie wollen offenbar nicht, was sie doch dürfen, ja sollen. Das gilt übrigens auch für alle Berufe, in denen mehr als üblich verdient wird: Je geringer die Benachteiligung von Frauen in einem Land ausfällt, desto seltener schließen sie ein naturwissenschaftliches oder technisch orientiertes Studium ab. Sie haben andere Optionen und womöglich auch andere Interessen und Fähigkeiten als Männer.
Das widerspricht nun allerdings der Vorstellung von der prinzipiellen Gleichheit der Geschlechter, doch lässt sich das leicht ins Positive wenden. Etwa mit dem Argument, gerade in der Politik brauchten wir genuin weibliche Qualitäten, jene menschliche Wärme eben, die man unsereins nachsagt, und nicht kalte Zahlen und Fakten, offenbar eine männliche Spezialität.
Dass es in der Politik Wärme brauche, ist ein Behauptung, die nun schon seit Jahrzehnten kursiert. Doch manch einer hätte stattdessen womöglich lieber so unsinnliche Dinge wie eine funktionierende Infrastruktur und mehr von jener Ingenieurskunst, für die Deutschland einst bekannt war. Für menschliche Wärme sind die Bürger selbst zuständig, Politik dient lediglich der Schaffung von Rahmenbedingungen.
Nun hieß es in der Frauenbewegung vor Jahrzehnten bei Kritik an der Quote, Gleichberechtigung sei erst dann erreicht, wenn ebenso viele dumme Frauen wie dumme Männer wichtige Positionen einnehmen können. Sicher. Es gibt böse Zungen, die behaupten, in der Politik sei das doch längst der Fall. Dann wären viele Frauen womöglich wirklich die Klügeren: nämlich jene, die sie sich auf das politische Spiel gar nicht erst einlassen.
Im Ernst: hier geht es um Machtkampf – nicht um Wohltaten zugunsten benachteiligter Frauen. Und in diesem Machtkampf sind offenbar alle Mittel recht: auch das der Diskriminierung aller Männer durch eine Ministerin, die für Justiz zuständig ist. Wir erinnern uns: Justitia ist die mit den verbundenen Augen, damit sie ohne Ansehen der Person allein über den Sachverhalt urteilt.

Die derzeit bei den Damen an der Spitze beliebte Geschlechterpolitik lässt nichts Gemeinsames mehr übrig. Sie spaltet. Und das macht die Welt nicht freier, sondern ärmer.





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