Was ist das, die Provinz? Abstellraum für Windparks und Biogasanlagen? Parkplatz für Schweinesilos und andere Zuchthäuser? Maisfelder bis an den Horizont neben Ödnis, verstockten Einwohnern und Restnatur? Oder hier und da noch immer Sehnsuchtsort für alle Abonnenten von Landlust?
Abgesehen von touristischen Hochburgen kennt der Metropolenbewohner die Namen vieler Dörfer und Städtchen höchstens aus Staumeldungen, sofern eine Autobahnauffahrt nach ihnen benannt wurde. Oder, falls der Stadtmensch so einer wie der woke Alex ist, wenn man Bäumen wehtut, wie im Dannenröder Forst, liebevoll Danni genannt, gleich bei mir um die Ecke. Dort sollen Bäume ihr Leben für einen Autobahnausbau lassen. Geht gar nicht!
Und deshalb kennt jetzt alle Welt Dannenrod – schon weil sich dort Carola Rackete an ein Baumhaus gekettet hat, es gibt ja zu Land und zur See immer was zu retten. Nur die verstockten Anwohner wünschen sich seit Jahren nichts dringenderes, als endlich vom Durchgangsverkehr befreit zu sein, man weiß ja, Lärm, Abgase, Feinstaub. In der Stadt wäre der Wunsch legitim? Ach?
Quod licet jovi, non licet bovi, würde der alte Lateiner da murmeln: Was dem Stadtöko frommt, hat der Ochse auf dem Land hinzunehmen. Bäume abholzen und Bodenverdichtung ist nur schlimm, wenn es den falschen Zwecken dient. Wenn es hingegen um die Klimarettung geht, darf, ja muss man gigantische Betonmengen in den Waldboden des Naturparks Vogelsberg versenken und Bäume fällen sonder Zahl, auch der Zufahrtsstraßen wegen, die man braucht, um die Vielzahl gigantischer Windmühlen an Ort und Stelle zu bringen. Vogelmörder, übrigens. Und Förster berichten, dass unter den Rotoren kein Stück Wild anzutreffen ist.
Bauern sind eine langsam verschwindende Minderheit
Doch schweigen wir davon und vom verstellten Horizont. Oder von der Bodenverdichtung. Und der Energiebilanz. Und der Entsorgung. Manch ein alteingesessener Bewohner unseres Landstrichs dürfte froh sein, die saure Wiese an einen Windbauer verpachten zu können, da sich Landwirtschaft schon lange nicht mehr lohnt, es sei denn, im großen Maßstab.
Was ist es also, das Land, sofern es nicht aus schützenswerter und weniger schützenswerter Natur besteht? Was finden Stadtflüchtige vor, wenn es sie dort hinzieht? Schöne Landschaft? Malmendes Fleckvieh auf grünen Wiesen, bäuerliche Idylle mit kuhwarmer Milch, frischen Eiern und krähenden Hähnen?
Zwar werden 51 Prozent der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt, doch nur noch von knapp 250.000 Betrieben. Deren Zahl hat seit 1949 um 86 Prozent abgenommen, der Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft lag 2017 nur noch bei 1,4 Prozent. Bauern sind eine langsam verschwindende Minderheit, in manchem Dorf gibt es keinen einzigen mehr. Das alles kann man übrigens in Ruhe nachlesen in dem faktenreichen und dennoch von Liebe getragenen Buch von Werner Bätzing: Das Landleben.
Hier wohnen Realisten, keine woken Ideologen
Ich erinnere mich noch gut, wie meine Nachbarn in den 80er Jahren die Milchkühe morgens und abends auf die und von der Weide trieben, begleitet von auffordernden Rufen und dem satten Geräusch, mit dem der Stock auf die Hintern der Kühe prallte, die mit schwankendem Euter und unter Hinterlassenschaft fetter Fladen zum Stall schlenderten. Ich habe die Schreie der Schweine noch im Ohr, nicht, wenn sie geschlachtet, sondern wenn sie gefüttert wurden. Meine Rosen konnten mit den Düften aus dem Schweinestall nicht konkurrieren. Besonders widerlich allerdings roch es aus den Silos, in denen das Heu für die Kühe vergoren wurde.
Vorbei. Milch- und Fleischproduktion lohnen sich nicht mehr. Der Nachbar baut nur noch Getreide an und mäht das Bioheu in der Flussaue. Heute ist um mich herum die Luft rein und die Fliegenbevölkerung hat deutlich abgenommen. Es gibt nur noch einen einzigen großen Schweinestall im Dorf, modern belüftet. Was stinkt, ist die Gülle, wenn sie auf die Felder gebracht wird. Und das passiert nicht jeden Tag.
Ist die Provinz damit ein mehr oder weniger menschenleerer Siedlungsraum geworden? Offen für alles? Ganz und gar nicht. Es gibt sie immer noch, die Landbevölkerung, und sie unterscheidet sich von der in den Städten. Oft, ich gestehe, durchaus vorteilhaft: hier wohnen Realisten, keine woken Ideologen.
Außerdem gibt es jetzt Hühner, glückliche, freilaufende Hühner. Schafe und Ziegen. Und statt brüllender Bullen im Stall Mutterkühe und ihre Kälber auf grüner Wiese.
Ja, es geht etwas zuende. Was beginnt?
Mehr dazu demnächst auf diesem Sender ...
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