Freitag, 26. Februar 2010

Autorenseelen...

Was Autoren empfinden - ist, wie immer, widersprüchlich. Hier eine Auswahl von Gefühlen angesichts von plattgefahrenen Tieren im Larvenstadium:

Viele Seelen streiten in so einer Autorenbrust.
Die eine, die abgeklärte bis abgebrühte, weiß, daß man kämpfen muß in harten Zeiten und auch mal auf den Skandal und das Event und den Hype setzen muß. Und sooo viel wurde da ja gar nicht abgeschrieben im Debütroman von Helene Hegemann, oder?
Die andere, die loyale, aber auch die gut kalkulierende, freut sich, wenn es der eigene Verlag ist, der mit „sowas“ erfolgreich ist. So viel Erfolg und Aufmerksamkeit könnten ja auch auf die Autoren abfärben, die nicht mehr süße 17 sind, oder?
Die ärmliche, die erbärmliche Autorenseele denkt bei jedem Erfolg eines anderen Autors: warum nicht ich? Die ich mir soviel Mühe gebe?
Die moralische findet, daß es besser wäre, wenn man einem Talent erlaubt, erst Autor zu werden, bevor man es vermarktet.
Auf den vielen anderen Seelen aber lastet eine andere Frage: Ist es nicht womöglich Sägen am eigenen Ast, wenn man ein Werk feiert, daß das Abschreiben zum ästhetischen Prinzip erklärt, und eine Autorin ermutigt, die das Beharren auf dem Urheberrecht „exzessiv“ findet?
Auch wer sich nicht unter Genieverdacht sieht und nicht jedes seiner Worte für heilig hält, zuckt zusammen, wenn es von Verlagsseite heißt, es gebe ein „Recht auf freie Benutzung von Quellen“: „Dieses Recht erlaubt es einem Künstler, Quellen auch ungenannt zu verwenden, wenn er daraus Neues und Eigenständiges schafft.“
Das mag im Einzelfall richtig sein, obwohl wir im vorliegenden Fall so unsere Zweifel haben. Vor allem aber fürchten wir, daß diese Toleranz einem allgemeinen und viel mächtigeren Trend in die Hände arbeitet: die Wundertüte Internet macht „Inhalte“ frei verfügbar und stellt das Urheberrecht, so, wie wir es kennen, zur Disposition.
Was aber ist ein Urheberrecht noch wert, wenn man keinen Nutzen mehr daraus beziehen kann?
Für Autoren und Verlage, für den Buchmarkt insgesamt ist all das bedrohlich. Das schwächste Glied ist der Autor. Und der hört das Gras wachsen und wittert eine hidden agenda hinter der Hegemann-Causa: wenn man sich als Autor frei im Werk anderer bedienen darf, mag auch der Leser auf seiner Informationsfreiheit beharren und runterladen, was und wie es ihm beliebt.
Die pessimistische Autorenseele murmelt: das ist das Ende.
Ihre optimistische Schwester setzt auf die Zukunft, auch wenn sie die Antwort auf die Frage noch nicht kennt, wie man in einem solchen Spiel Mitspieler bleiben kann.
Noch ist Hegemanns Text ein Buch geworden. Demnächst im Reich einer „Ästhetik der Intertextualisierung“ wäre es womöglich nur mehr ein Phantom.

2 Kommentare:

  1. ist das eine Erscheinungsform von Kulturpessimismus?

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  2. Liebe Cora Stephan,

    ja, die Einlassungen des Verlages zu diesem Thema sind schon ziemlich dreist, und ich glaube kaum, dass man es dort ähnlich locker sähe, waren hauseigene Autoren die Beklauten -- also nicht Helene H.

    Wir können ja mal den Versuch wagen und von Frau Hegemann abschreiben — falls es da etwas gibt, was man im Ernst haben will.

    Aber sonst? Wen haben wir nicht alles schon kommen und gehen sehen? Letztes Jahr um diese Zeit waren es noch die Feuchtgebiete, wissen Sie noch? Rummel gehört wohl immer dazu.

    Ich glaube, Andy W. hat mal gesagt: Kunst ist, wenn man damit durchkommt. Ob einmal echte Kunst daraus wird und aus einem TV-Gast mit komischen Haaren eine ernstzunehmende Autorin, kann nur die die Zukunft zeigen. Aber nur mit pampigen Antworten, völlig ohne Seriosität geht es wohl nicht. Also Gemacht, es ist ein langer Weg.

    Mit Coyote-Howl von hier, herzlich
    Cajun Coyote

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