Wo er recht hat, hat er recht: „Eine echte Kriegsdebatte findet in Deutschland nicht statt“, schrieb Jürgen Todenhöfer jüngst in der FAZ. Und: „Man kann nicht jeden sinnlosen Krieg damit begründen, daß es in der Tat einmal einen sinnvollen Krieg gab – jenen gegen Adolf Hitler.“ Stimmt ebenfalls – außer, daß man sogar einen sinnvollen Krieg nicht mit Hitler begründen sollte. Daß unseren politischen Eliten die „intellektuellen Mindeststandards“ abhandengekommen seien, wird der ehemalige CDU-Sprecher für Entwicklungspolitik und Rüstungskontrolle am besten wissen.
Vorschlag: Um intellektuelle Mindeststandards bei einer echten Kriegsdebatte gewährleisten zu können, sollten auch folgende Punkte berücksichtigt werden:
Krieg tötet „stets auch Unschuldige“, schreibt Jürgen Todenhöfer. Er meint offenbar „Unbeteiligte“. Denn der völkerrechtlichen Definition von Krieg zufolge sind Soldaten keine „Schuldigen“, die etwa ihren Tod als verdiente Strafe hinzunehmen hätten. Auch haben kriegerische Handlungen nicht das Töten einer möglichst großen Zahl von Gegnern zum Ziel, es geht vielmehr darum, sie kampfunfähig zu machen.
„Wer diesen Zivilisationsbruch trotzdem für unvermeidbar hält, muß überragende Gründe haben“, so Todenhöfer. Richtig. Das ist der Grund dafür, warum in Demokratien der Gegner oft als das absolut Böse, als neuer Hitler gezeichnet wird. Anders meint man der Bevölkerung die Sache nicht beibiegen zu können. Gegen das absolut Böse nun scheint jedes Mittel erlaubt – das aber ist in der Tat ein Argument, das Krieg ausufern läßt.
„Es ist unsere eigene Gewalt, die wie ein Bumerang als globaler Terrorismus immer wieder auf uns zurückschlägt.“ Todenhöfer. Ich fürchte, der Terrorismus braucht „unsere“ eigene Gewalt nicht, um massenhaft „Unschuldige“ aufs Korn zu nehmen.
„Mit dem Geld für (…) Soldaten könnte man (…) Schulen bauen – und dem weltweiten Terrorismus viele seiner Argumente entziehen.“
Terrorismus kommt, im Unterschied zu regulären Armeen, gut und gern völlig ohne Argumente aus.
„Verbrennung von über 100 Menschen“, „Massaker“, „Flammeninferno“: gemeint ist der Angriff auf die entführten Tanklastzüge in Kunduz. Mal abgesehen davon, daß über die Opferzahl noch immer nichts Genaues bekannt ist: Die Begriffe sollen Emotionen schüren, keinen Sachverhalt oder gar ein Dilemma schildern.
„Eine echte Kriegsdebatte“ dürfte anders aussehen. Und vielleicht würde sie Jürgen Todenhöfer überraschen: vom Standpunkt des Krieges aus gibt es viele Argumente gegen den Militäreinsatz in Afghanistan. Anders sieht es mit einem moralischen Standpunkt aus, der um ein unlösbares Dilemma weiß: daß sowohl durch Tun als auch durch Unterlassen Unheil gestiftet werden kann.
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Das sind erfrischend klare Argumente zu Todenhöfers immer wieder eigenartig verkitschten Einlassungen!
AntwortenLöschenBedenken sollte man in diesem Zusammenhang vielleicht auch den immer wieder erregt ins Spiel gebrachten Begriff des (unschuldigen) "Zivilisten". Das ist ein emotionalisierender Begriff, der beim sogenannten asymmetrischen Krieg dringend der Erläuterung bedarf: Bei den "kriegsähnlichen Handlungen" in Afghanistan begegnen sich nämlich nicht uniformierte Armeen im Auftrag ihrer Parlamente. Vielmehr sollen mordende und bombende Guerilla (Al Quaida), die keine Rücksicht auf Zivilisten nehmen, durch uniformierten Streitkräften mit Parlamentsauftrag (ISAF) an ihrem Tun gehindert werden. Terroristen handeln ohne parlamentarischen Auftrag und sind damit Zivilisten! Zu ihrer Strategie gehört es, friedliche Zivilisten als Geisel zu nehmen und deren massenhaften Tod billigend einzukalkulieren.
Wenn man neben dem Begriff des "Unschuldigen" auch den des "Zivilisten" kritisch betrachtet hat, kommt man leicht zu der Erkenntnis, dass Todenhöfer manipuliert, denn er sollte es besser wissen...